Rollende Steine
die diversen Taschen, Kne-
belknöpfe und die von Kaninchenpelz gesäumte Kapuze. Pailletten,
Edelsteine und mystische Symbole fehlten ganz. Nur ein Fleck zeigte
sich dort, wo Tinte aus Stibbons’ Stift getropft war.
»Bist du in letzter Zeit in der Stadt gewesen?« fragte Ridcully.
»Nein, Herr. Hätte ich die Universität verlassen sol en? Ich arbeite
noch immer an der Mach-es-größer-Vorrichtung. Du kennst sie ja. Ich
habe sie dir gezeigt…«*
»Ja, ja.« Ridcullys Blick glitt durch den Raum. »Treibt sich hier sonst
noch jemand herum?«
»Nun, äh… die Gruppe besteht aus mir, Tez dem Schrecklichen,
Skazz, dem Großen Irren Drongo…«
Ridcully blinzelte.
»Was sind das für Leute?« Und in den dunklen Tiefen seines Gedächt-
nisses regte sich die Antwort. Nur eine ganz besondere Spezies hatte
solche Namen. » Studenten ?«
»Äh. Ja.« Ponder wich ein wenig zurück. »Das ist doch in Ordnung,
oder? Ich meine, wir sind hier in einer Universität…«
Ridcully kratzte sich am Ohr. Das stimmte natürlich. Es ließ sich gar
nicht vermeiden, daß es an diesem Ort den einen oder anderen Studen-
ten gab. Der Erzkanzler ging ihnen aus dem Weg, wann immer es ihm
möglich war, und der Rest der Fakultät verhielt sich ähnlich. Manchmal
eilten Zauberer in die andere Richtung oder versteckten sich hinter Tü-
ren, wenn sie verdächtige junge Leute erspähten. Vom Dozenten für
neue Runen hieß es, daß er sich einmal in seinem Kleiderschrank einge-
schlossen hatte, um keine Vorlesung halten zu müssen.
»Hol die anderen«, sagte Ridcul y nun. »Ich fürchte, ich habe meine
Fakultät verloren.«
»Wo denn, Erzkanzler?« fragte Ponder höflich.
* Das Resultat ließ jedoch zu wünschen übrig. Stibbons hatte wochenlang Linsen geschliffen und verschiedene Dinge aus Glas hergestellt. Seine Bemühun-
gen schufen schließlich einen Apparat, der die gewaltige Anzahl von winzigen Tieren in einem einzigen Tropfen Ankh-Wasser zeigte.
Der Erzkanzler warf nur einen kurzen Blick darauf und meinte dann: Etwas,
das soviel Leben enthielt, mußte gesund sein.
»Wie bitte?«
»Was?«
Sie musterten sich verwirrt: zwei Seelen, die auf einer schmalen Straße
in unterschiedliche Richtungen schritten und darauf warteten, daß die
andere zuerst kehrtmachte.
» Die Fakultät«, sagte Ridcul y nach einer Weile. »Der Dekan. Er und die anderen. Sind vol kommen ausgerastet. Haben sich die ganze Nacht um
die Ohren geschlagen und Gitarre gespielt. Der Dekan hat sich eine Le-
derjacke zugelegt.«
»Nun, Leder ist ein sehr praktisches und zweckmäßiges Material…«
»Er benutzt es auf eine ganz andere Weise«, erwiderte Ridcul y düster.
[… Der Dekan trat zurück und betrachtete die Kleiderpuppe von der
Haushälterin Frau Allesweiß.
Er hatte einige Veränderungen vorgenommen, zu denen etwas in ihm
drängte. Im Grunde seines Wesens verabscheut jeder Zauberer Klei-
dung, die nicht mindestens bis zu den Fußknöcheln reicht. Deshalb hatte
er ziemlich viel Leder. Es bot genug Platz für die Nieten.
Er hatte mit DEKAN begonnen.
Es blieb viel freier Raum für kreative Gestaltung. Der Dekan überlegte
kurz und fügte GEBOREN UM hinzu. Anschließend zögerte er erneut,
da er nicht genau wußte, wozu er geboren war. GEBOREN UM VIEL
ZU ESSEN erschien ihm unangebracht.
Nach einigen Minuten verwirrten Nachdenkens entschied er sich für:
SCHNELL UZ LEBEN UND JUGN ZU STER BNE. Darin steckte
der eine oder andere Fehler; das sah er ganz deutlich. Beim Anbringen
der Nieten hatte er das Leder immer wieder hin und her gedreht; da-
durch wußte er bald nicht mehr, in welche Richtung es weiterging.
Eigentlich spielte die Richtung auch gar keine Rolle. Wichtig war nur,
daß man in Bewegung blieb. Darum ging es bei der Musik Mit Steinen
Drin…]
»Und der Dozent für neue Runen trommelt in seinem Zimmer, und die
anderen haben sich Gitarren besorgt, und was der Quästor mit dem
Saum seines Mantels angestellt hat, ist wirklich seltsam«, sagte Ridcully.
»Der Bibliothekar läuft umher und klaut alles, was ihm unter die Finger
kommt. Und mir hört niemand mehr zu.«
Er beobachtete die Studenten. Sie boten einen beunruhigenden An-
blick, nicht nur aufgrund ihres natürlichen Erscheinungsbildes. Während
Musik alle Leute mit den Füßen klopfen ließ, hatten diese Burschen die
ganze Nacht in der Universität verbracht und… gearbeitet.
»Was macht ihr hier?« fragte er. »Du… wie heißt du?«
Der
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