Rom: Band 1
er nicht das Vergnügen haben würde, Monsignore Nani heute abend zu sehen.
»O, Monsignore Nani verläßt uns wie alle anderen,« konnte sie sich nicht enthalten, zu antworten. »Wenn man die Leute braucht, verschwinden sie.«
Sie grollte auch dem Prälaten, weil er sich trotz seiner vielen Versprechungen sehr matt mit der Scheidung beschäftigt hatte. Zweifellos verbarg sich wie immer hinter seinem außerordentlich schmeichelnden Wohlwollen irgend ein eigener Plan. Uebrigens bereute sie rasch das Geständnis, das der Zorn ihr entrissen hatte, und fuhr fort:
»Vielleicht kommt er noch. Er ist so gut und liebt uns so sehr.«
Trotz ihres heißen Blutes wollte sie politisch sein, um das Unglück zu besiegen. Ihr Bruder, der Kardinal, hatte ihr mitgeteilt, wie sehr das Verhalten der Konzilskongregation ihn ärgere; denn er zweifelte nicht, daß die kalte Aufnahme, die das Gesuch seiner Nichte gefunden, dem Wunsche gewisser seiner Kollegen, der Kardinäle, entsprang, ihm Unannehmlichkeiten zu bereiten. Er selbst wünschte jetzt die Scheidung, denn sie allein schien eine Fortsetzung der Rasse zu sichern, da Dario darauf beharrte, keine andere als seine Base heiraten zu wollen. Alles Unglück kam auf einmal und hatte die ganze Familie betroffen; sein Stolz war verletzt; die Schwester teilte diesen Kummer, dessen Folgen außerdem ihr Herz verwundeten; und die beiden Liebenden waren verzweifelt, weil sie ihre Hoffnungen abermals hinausgeschoben sahen.
Als Pierre sich dem Kanapee näherte, wo die jungen Leute plauderten, hörte er, daß halblaut von nichts anderem als von der Katastrophe gesprochen wurde.
»Warum seid ihr so verzweifelt?« fragte Celia. »Eigentlich ist ja die Annullirung der Ehe mit einer Stimme Majorität anerkannt worden. Der Prozeß wird wieder aufgenommen werden. Es ist nur eine Verzögerung.«
Aber Benedetta schüttelte den Kopf.
»Nein, nein; wenn Monsignore Palma darauf beharrt, wird Seine Heiligkeit nie seine Zustimmung geben. Es ist aus.«
»Ach, wer doch reich wäre, sehr reich!« murmelte Dario mit überzeugter Miene; und niemand lächelte darüber.
Dann sagte er ganz leise zu seiner Base:
»Ich muß Dich unbedingt sprechen. So können wir nicht weiter leben.«
»Komm morgen abend um fünf Uhr hierher,« antwortete sie ebenfalls flüsternd. »Ich werde hier allein sein.«
Dann zog sich der Abend endlos hin. Pierre sah mit unendlicher Rührung die Gebrochenheit, in der sich die gewöhnlich so ruhige und so vernünftige Benedetta befand. Die tiefen Augen in ihrem reinen, kindlich zarten Gesicht waren wie von verhaltenen Thränen getrübt. Er hatte bereits eine wirkliche Zärtlichkeit für sie gefaßt, da er sie immer in gleichmäßiger, wenn auch etwas lässiger Stimmung, sah; sie verbarg unter diesem Schein großer Klugheit die Leidenschaft ihrer Flammenseele. Trotzdem versuchte sie über die hübschen, vertraulichen Mitteilungen Celias zu lächeln, deren Liebesangelegenheit besser stand als die ihrige. Nur einen Augenblick wurde das Gespräch allgemein, als die alte Verwandte mit erhobener Stimme von der unwürdigen Haltung der italienischen Presse gegen den heiligen Vater sprach. Noch nie schienen die Beziehungen zwischen Vatikan und Quirinal so schlecht gewesen zu sein als jetzt. Der Kardinal Sarno, der gewöhnlich stumm war, teilte mit, daß der Papst bei Gelegenheit der weiheschänderischen Feste am 20. September zur Feier der Einnahme Roms allen christlichen Staaten, die sich durch ihre Gleichgiltigkeit zu Mitschuldigen des Raubes machten, ein neues Protestschreiben ins Gesicht schleudern werde.
»Ja, versucht es nur, Papst und König zu vermählen!« sagte Donna Serafina mit bitterer Stimme, indem sie auf die beklagenswerte Heirat ihrer Nichte anspielte.
Sie schien ganz außer sich zu sein. Es war jetzt sehr spät. Man konnte weder Monsignore Nani noch sonst jemand erwarten, dennoch stammte es bei einem unerwarteten Geräusch von Schritten in ihren Augen auf; sie blickte begierig auf die Thür und sah zu ihrer letzten Enttäuschung Narcisse Habert eintreten, der sich wegen seines späten Besuches bei ihr entschuldigte. Sein angeheirateter Oheim, der Kardinal Sarno, hatte ihn in diesen so fest verschlossenen Salon eingeführt, und man nahm ihn wegen seiner angeblich intransigenten religiösen Ideen wohl auf. An diesem Abend war er übrigens trotz der späten Stunde nur Pierres wegen gekommen, den er auch sofort beiseite nahm.
»Ich wußte, daß ich Sie hier finden würde. Ich
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