Rom: Band 1
Verteidigung seines Buches, machte gar keine Fortschritte. Er hegte noch immer den brennenden Wunsch, den Papst zu sehen, ohne daß sich bei den fortwährenden Verzögerungen, bei der Angst vor einem unvorsichtigen Schritt, die Monsignore Nani ihm eingeflößt hatte, voraussehen ließ, wann und wie dieser Wunsch befriedigt werden könne. Da er einsah, daß sein Aufenthalt sich unabsehbar in die Länge ziehen konnte, entschloß er sich, sein celebret im Vikariat visiren zu lassen, und las nun jeden Morgen seine Messe in der Brigittakirche aus der Piazza Farnese, wo ihn der Abbé Pisoni, der ehemalige Beichtvater Benedettas, wohlwollend aufgenommen hatte.
An diesem Montag beschloß er, sich frühzeitig zu dem kleinen, intimen Empfang Donna Serafinas zu begeben; denn er hoffte dort Neuigkeiten zu hören und seine Angelegenheit zu beschleunigen. Vielleicht würde auch Monsignore Nani dort sein, oder vielleicht würde er das Glück haben, irgend einen Prälaten oder Kardinal zu treffen, der ihm helfen würde. Er hatte sich vergeblich bemüht, Don Vigilio auszunützen oder doch wenigstens gewisse Auskünfte aus ihm herauszulocken. Der Sekretär des Kardinals Boccanera schien, nachdem er sich einen Augenblick dienstfertig gezeigt hatte, wieder von Mißtrauen und Furcht ergriffen worden zu sein; er ging Pierre aus dem Wege, versteckte sich und seine Miene verriet den Entschluß, sich in ein entschieden verdächtiges und gefährliches Abenteuer nicht zu mischen. Uebrigens war er seit vorgestern von einem furchtbaren Fieberanfall ergriffen worden, der ihn zwang, das Zimmer zu hüten.
Pierre hatte keinen andern Trost als Victorine Bosquet, das zum Range einer Wirtschafterin emporgestiegene ehemalige Kindermädchen, die Beauceronnin, die sich trotz eines dreißigjährigen Aufenthaltes in dem ihr noch immer unbekannten Rom ihr altes französisches Herz bewahrt hatte. Sie erzählte ihm von Anneau, als hätte sie es gestern verlassen. Aber an diesem Montag war sie nicht so lebhaft und heiter wie sonst, und als sie erfuhr, daß er abends zu den Damen hinabgehen wolle, schüttelte sie den Kopf.
»Ah, Sie werden sie nicht bei guter Stimmung finden. Meine arme Benedetta hat große Unannehmlichkeiten. Es scheint mit ihrer Scheidung sehr schlecht zu stehen.«
Ganz Rom sprach davon. Die außerordentlichsten Klatschereien begannen von neuem und regten die ganze schwarze und weiße Gesellschaft auf. Victorine brauchte sich daher einem Landsmanne gegenüber keine unnötige Verschwiegenheit aufzuerlegen. Also: in Erwiderung der Eingabe des Konsistorialanwaltes Morano, der, auf Zeugenaussagen und schriftliche Beweise gestützt, ausführte, daß die Ehe wegen Unvermögens des Gatten nicht vollzogen sein konnte, hatte Monsignore Palma, der von der Konzilskongregation für diese Angelegenheit als Verteidiger der Ehe gewählte Theologe, seinerseits ein wahrhaft schreckliches Memorandum eingebracht. Zuerst zog er den jungfräulichen Zustand der Gesuchstellerin in Zweifel, indem er die technischen Ausdrücke des Zertifikates der beiden Hebammen diskutirte und eine gründliche Untersuchung durch zwei Aerzte forderte, eine Formalität, vor der die Schamhaftigkeit der jungen Frau zurückgeschreckt war. Er schlug großen Vorteil aus der in der Eingabe des Grafen Prada enthaltenen Erzählung desselben, laut welcher er sehr aufrichtig bekannte, nicht sagen zu können, ob die Ehe vollzogen sei oder nicht, da die Gräfin sich so gewehrt habe; er hatte wohl im Augenblick geglaubt, daß der Akt in den normalen Bedingungen vollzogen worden sei, aber nach längerem Nachdenken gebe er zu, daß er, der Heftigkeit seines Wunsches nachgebend, sich vielleicht Illusionen gemacht habe. Ueber diesen Zweifel frohlockte Monsignore Palma, verstärkte ihn noch durch alle spitzfindigen Schlußfolgerungen, die die heikle Angelegenheit gestattete, und kehrte sogar gegen die vergewaltigte Gattin die von ihr selbst vorgebrachte Aussage der Kammerjungfer, die das Geräusch des Kampfes gehört hatte und bestätigte, daß ihr Herr und ihre Herrin nach dieser ersten Nacht stets gesondert geschlafen hätten. Der entscheidende Beweisgrund des Memorandums war übrigens, daß es, selbst wenn die Gesuchstellerin den vollständigen Beweis ihrer Jungfräulichkeit erbrachte, doch feststand, daß nur ihre Weigerung den Vollzug der Ehe hinderte, da die erste Bedingung des Aktes der Gehorsam der Frau sei. Nach Verlesung eines vierten Memorandums, dem des Berichterstatters, worin er die
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