Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
Vom Netzwerk:
drei anderen zusammenfaßte und erörterte, hatte die Kongregation abgestimmt: sie bewilligte die Annullirung der Ehe, aber nur mit einer Stimme Majorität. Das war eine so ungewisse Lösung, daß Monsignore Palma sich kraft seines Rechtes unverzüglich beeilte, Ergänzungsinformationen zu fordern, was das ganze Verfahren wieder in Frage stellte und eine neue Abstimmung nötig machte.
    »Ach, meine arme Contessina,« rief Victorine, »sie wird vor Kummer sterben; denn das arme Kind verzehrt sich langsam, trotzdem sie so ruhig aussieht ... Es scheint, daß dieser Monsignore Palma der Herr der Situation ist und daß er die Sache so lange hinausschieben kann, wie er Lust hat. So viel Geld ist schon ausgegeben worden, und man wird noch mehr ausgeben müssen ... Der Abbé Pisoni – Sie kennen ihn ja jetzt – hat wirklich mit dieser Heirat einen großartigen Einfall gehabt. Ich will auch nicht das Andenken meiner guten Herrin, der Gräfin Ernesta, dieser heiligen, kränken, aber es steht fest, sie hat ihre Tochter unglücklich gemacht, als sie sie dem Grafen Prada gab.«
    Sie hielt inne und fügte dann, von dem in ihr wohnenden Gerechtigkeitssinne hingerissen, hinzu:
    »Er hat übrigens recht, wenn er nicht zufrieden ist, der Graf Prada. Man macht sich gar zu sehr über ihn lustig ... Aber wissen Sie, deswegen sage ich doch, daß meine Benedetta recht dumm ist, daß sie so viele Umstände macht. Wenn es von mir abhinge, so hätte sie ihren Dario noch heute abend in ihrem Zimmer, da sie ihn so liebt, da sich beide so lieben und schon so lange nach einander sehnen. Meiner Treu, ja, ohne Standesamt und Pfarrer, weil sie jung, weil sie schön sind und damit sie glücklich mit einander sein können ... Das Glück, du lieber Gott, das Glück ist so selten!«
    Als sie sah, daß Pierre sie überrascht anblickte, begann sie munter, mit dem ruhigen Gleichgewicht des niederen französischen Volkes zu lachen, das an nichts mehr glaubt als an ein glückliches, ehrlich geführtes Leben.
    Dann beklagte sie sich in etwas diskreterer Weise über eine andere Unannehmlichkeit, die das Haus verdüsterte. Es war ebenfalls ein Rückschlag dieser unglückseligen Scheidungsangelegenheit. Donna Serafina und der Advokat Morano hatten sich gezankt. Der letztere war sehr ärgerlich über die halbe Schlappe, die seine Eingabe bei der Kongregation erlitten hatte, und beschuldigte Pater Lorenzo, den Beichtvater von Tante und Nichte, daß er sie zu einem häßlichen Prozesse gedrängt habe, aus dem für alle Welt nichts als Aergernis entstehen würde. Und er war im Palazzo Boccanera nicht wieder erschienen. Das war der Bruch eines alten, seit dreißig Jahren bestehenden Verhältnisses und verblüffte alle römischen Salons. Das Verhalten Moranos wurde allgemein gemißbilligt. Donna Serafina war um so tiefer erbittert, da sie argwöhnte, daß er den Streit nur als Vorwand gebrauche, um sie wegen einer ganz andern Sache zu verlassen: wegen einer plötzlichen, bei einem Manne in seiner Stellung und von seiner Frömmigkeit verbrecherischen Leidenschaft, der Leidenschaft, die eine junge Bürgerliche, eine Ränkeschmiedin, in ihm entfacht hatte.
    Als Pierre am Abend in den mit gelbem, großblumigem Louis XIV.-Brokat ausgeschlagenen Salon trat, bemerkte er thatsächlich, daß eine gewisse Schwermut unter der noch gedämpfteren Helle der spitzenverschleierten Lampen herrschte. Es war übrigens niemand da als Benedetta und Celia, die, auf einem Kanapee sitzend, mit Dario plauderten. Der Kardinal Sarno hörte, tief in einen Lehnstuhl vergraben, wortlos dem unversiegbaren Geplauder der alten Verwandten zu, die die kleine Prinzessin jeden Montag herbrachte. Donna Serafina faß allein auf ihrem gewöhnlichen Platz auf der rechten Seite des Kamins; eine heimliche Wut verzehrte sie, weil die linke Seite gegenüber leer war, diese Seite, die Morano während der dreißig Jahre seiner Treue eingenommen hatte. Pierre bemerkte auch, was für einen ängstlichen und dann verzweifelten Blick sie ihm bei seinem Eintritt zugeworfen hatte; sie bewachte die Thür, da sie ohne Zweifel den Flatterhaften noch erwartete. Sie hielt sich übrigens sehr gerade und sah mit ihrer seinen, mehr als je im Korsett eingeschnürten Taille, mit ihrem harten Altjungferngesicht, dem schneeweißen Haar und den tiefschwarzen Brauen sehr stolz aus.
    Nachdem Pierre ihr seine Hochachtung bezeigt hatte, ließ er sofort den ihn hauptsächlich beschäftigenden Gedanken durchblicken, indem er fragte, ob

Weitere Kostenlose Bücher