Rom: Band 1
erhabenen, von einer Krone von Palästen umgürteten Palatin geleitete, erhoben sich die gigantischen Gräber der Mächtigen und Reichen in einem künstlerischen Glänze, einer Pracht ohne gleichen, die den Stolz und den Pomp einer starken, weltbeherrschenden Rasse im Marmor verewigte.
Dann, dicht daneben, unter der Erde, in der verschwiegenen Nacht, am Grunde der armseligen Maulwurfslöcher, verbargen sich andere Gräber – die der Geringen, der Armen, der Leidenden; sie waren kunst- und schmucklos, und ihre Bescheidenheit verkündete, daß ein Hauch von Liebe und Ergebung über die Erde gestrichen, daß ein Mensch gekommen war, um Brüderlichkeit und Liebe, das Aufgeben der irdischen Güter für den ewigen Frieden des künftigen Lebens zu predigen. Er hatte den guten Samen seines Evangeliums der neuen Erde anvertraut und die verjüngte Menschheit gesät, die die alte Welt verwandeln sollte. Und nun waren aus diesem seit Jahrhunderten in dem Boden liegenden Samen, nun waren aus diesen bescheidenen, unbekannten Gräbern, wo die Märtyrer in Erwartung des glorreichen Erwachens ihren süßen Schlaf schlummerten, andere Gräber hervorgesproßt, die ebenso riesig, ebenso prunkvoll waren wie die zerstörten antiken Gräber der Götzendiener. Ihr Marmor erhob sich in der heidnischen Pracht eines Tempels und verkündete denselben übermenschlichen Stolz, dieselbe wahnsinnige Sucht nach der Weltherrschaft. In der Renaissance wird Rom wieder heidnisch. Das alte Kaiserblut steigt wieder auf, führt gegen das Christentum den schärfsten Angriff, den es bisher zu erleiden hatte, und reißt es mit sich fort. Ach, diese Gräber in St. Peter – wie trotzen sie in ihrer übermütigen Verherrlichung, in ihrer sinnlichen und üppigen Ungeheuerlichkeit dem Tode und versetzen die Unsterblichkeit auf diese Erde! Da sind riesengroße Päpste aus Bronze, da sind allegorische Figuren, da sind zweideutige Engel, die schön sind, wie schöne Mädchen, wie begehrenswerte Frauen, mit den Hüften und dem Halse von Göttinnen. Paul III. sitzt auf einem hohen Piedestal, während die Gerechtigkeit und die Klugheit halb zu seinen Füßen gelagert sind. Urban VIII, befindet sich zwischen der Klugheit und der Religion, Innocenz XI. zwischen der Religion und der Gerechtigkeit, Innocenz XII, zwischen der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit, Gregor XIII. zwischen der Religion und der Kraft. Der knieende Alexander VII, hat neben sich die Klugheit und die Gerechtigkeit, vor sich die Barmherzigkeit und die Wahrheit; daneben erhebt sich ein Skelett mit der leeren Sanduhr. Clemens XIII., ebenfalls knieend, triumphirt auf einem monumentalen Sarkophag, auf den sich die Religion, die das Kreuz hält, stützt; während unter dem rechts lehnenden Genius des Todes sich zwei ungeheure Löwen befinden, die Sinnbilder der Allmacht. Die Bronze verkündete die Ewigkeit der Figuren; der weiße Marmor prangte wie schönes, üppiges Fleisch; der farbige Marmor schlang sich zu reichen Behängen und erhob unter dem hellen, goldenen Licht der ungeheuren Schiffe die Monumente zu einer Apotheose.
Und Pierre ging von einem zum andern; er schritt immer wieder durch die von der Sonne beschienene, herrliche, einsame Basilika. Ja, diese Gräber schlössen sich mit kaiserlichem Prunk denen der Via Appia an. Ja, das war Rom – der Boden Roms, wo Stolz und Herrschsucht wie das Kraut des Feldes ausschießen, dieser Boden, der aus dem demütigen Urchristentum den siegreichen, mit den Mächtigen und Reichen verbündeten Katholizismus gemacht hat, diese für die Eroberung der Völker errichtete riesige Regierungsmaschine. In den Päpsten waren die Cäsaren wieder erwacht. Das ferne Erbe wirkte; das Blut des Augustus schoß von neuem hervor, floß in ihren Adern und verbrannte ihr Gehirn mit maßlosem Ehrgeiz. Nur Augustus hatte die Herrschaft der Welt verwirklicht, indem er zugleich Kaiser und Pontifex, Herr der Körper und Seelen war. Von daher stammt der ewige Traum der Päpste. Sie sind verzweifelt, weil sie nur die geistliche Herrschaft besitzen, und wollen hartnäckig nichts von der weltlichen abtreten; denn sie hegen noch immer die uralte, nie aufgegebene Hoffnung, daß der Traum sich noch einmal verwirklichen kann und aus dem Vatikan einen zweiten Palatin machen werde, von wo aus sie als unbeschränkte Despoten die eroberten Nationen beherrschen werden.
VI.
Pierre befand sich nun bereits seit vierzehn Tagen in Rom, aber die Angelegenheit, derentwegen er hergekommen, die
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