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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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wenig er, der kleine fremde Priester, der nicht einmal Prälat war, für sie bedeutete. Und das setzte ihn noch mehr in Erstaunen, drängte ihm von neuem die dunkle Frage auf: Warum hatte man ihn eingeladen, was sollte er in dieser den Geringen verschlossenen Welt? Aber er wußte, daß sie extrem fromm war und glaubte schließlich zu verstehen, daß sie ihn bloß aus Rücksicht für den Vicomte empfing; denn auch sie wußte nichts anderes zu sagen, als: »Wir freuen uns so, daß wir gute Nachrichten von Herrn de la Choue haben! Vor zwei Jahren hat er uns einen so schönen Pilgerzug hergebracht!«
    Sie ging voran und führte den jungen Priester in den Nebensalon. Es war dies ein ungeheuer großes, viereckiges, mit altem, gelbem, großblumigem Louis XIV.-Brokat ausgeschlagenes Gemach. Die sehr hohe Decke besaß eine wundervolle Verkleidung aus geschnitztem und gemaltem Holz und Deckenfelder mit Goldrosetten. Aber die Einrichtung war sehr ungleichartig. Es gab da hohe Spiegel, zwei prächtige, vergoldete Pfeilertische, ein paar schöne Lehnstühle aus dem siebenzehnten Jahrhundert, aber alles übrige sah kläglich aus: ein schwerer Empiregueridon von Gott weiß woher, wunderliche Dinge, die aus irgend einem Bazar stammen mußten, und auf dem kostbaren Marmor der Pfeilertische schreckliche Photographien. Nicht ein einziger interessanter Kunstgegenstand war vorhanden. An den Wänden hingen alte mittelmäßige Gemälde. Eine Ausnahme bildete ein köstlicher Unbekannter, eine Heimsuchung Mariä aus dem vierzehnten Jahrhundert; die Jungfrau war ganz klein, von der reinen Zartheit eines zehnjährigen Kindes, während der Engel riesig groß und herrlich war und sie mit den Wogen blendender und übermenschlicher Liebe überflutete. Außerdem hing gegenüber ein altes Familienbild, ein sehr schönes, junges Mädchen mit einem Turban auf dem Kopfe darstellend; es galt für das Porträt der Cassia Boccanera, der Liebenden und Richterin, die sich mit ihrem Bruder Ercole und dem Leichnam ihres Geliebten Flavio Corradini in den Tiber gestürzt hatte. Vier Lampen erhellten mit ihrem starken ruhigen Lichte das verblichene, wie von einem schwermütigen Sonnenuntergang gelb bestrahlte, ernste, leere und kalte Zimmer, in dem kein einziger Blumenstrauß zu sehen war.
    Donna Serafina stellte Pierre sofort mit ein paar kurzen Worten vor. Und in der eintretenden Stille, in dem plötzlichen Verstummen der Gespräche fühlte er, wie die Blicke aller sich auf ihn wie auf eine versprochene und erwartete Kuriosität richteten. Es waren höchstens zehn Personen anwesend. Darunter befand sich auch Dario; er plauderte stehend mit der kleinen Prinzessin Celia Buongiovanni, die von einer alten Verwandten begleitet war, welche sich halblaut mit einem Prälaten, Monsignore Nani, unterhielt. Die beiden letzteren saßen in einem dunklen Winkel. Pierre fiel jedoch am meisten der Name des Anwalts im Konsistorium, Morano, auf. Der Vicomte glaubte, als er Pierre nach Rom schickte, ihm die besondere Stellung jenes Mannes in diesem Hause erklären zu müssen, damit er keine Irrtümer begehe. Morano war seit dreißig Jahren der Freund Donna Serafinas. Dieses Verhältnis war einst strafbar gewesen, da der Anwalt Frau und Kinder hatte, aber nachdem er Witwer geworden und vor allem unter dem Einfluß der Zeit wurde es von allen entschuldigt und anerkannt, wurde zu einer Art jener langjährigen wilden Ehen, die durch die Duldsamkeit der Welt geweiht werden. Da beide sehr fromm waren, hatten sie sich gewiß des nötigen Ablasses versichert. So saß also Morano auf dem Platze, den er seit mehr als einem Vierteljahrhundert einnahm, neben dem Kamin, obwohl darin noch kein Feuer brannte. Und als Donna Serafina ihre Hausfrauenpflicht erfüllt hatte, nahm sie selbst wieder ihren Platz, ihm gegenüber, an der andern Seite des Kamins ein.
    Dann, während Pierre sich schweigend und geräuschlos neben Don Vigilio auf einen Stuhl niederließ, setzte Dario in lauterem Ton die Geschichte fort, die er Celia erzählte. Er war ein hübscher Mann von mittlerer Grüße, schlank und elegant, mit braunem, sehr gepflegtem Vollbart und dem langen Gesicht und der starken Nase der Boccaneras; aber seine Züge waren milder, wie durch die hundertjährige Verarmung des Blutes erschlafft.
    »O, eine Schönheit,« wiederholte er mit Nachdruck, »eine wunderbare Schönheit!«
    »Wer ist das?« fragte Benedetta, indem sie zu ihnen trat.
    Celia, die der über ihrem Kopfe hängenden kleinen Jungfrau

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