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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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empfange. Ja, ich lebe hier wie ein Mönch, wie ein alter, pensionirter Soldat, der fortan abseits vom Leben steht. Mein Sohn quält mich noch immer, ich möge eines der schönen Zimmer unten beziehen. Aber wozu? Ich brauche nichts, ich liebe keine Federbetten, denn meine alten Knochen sind an die harte Erde gewöhnt. Und dann habe ich hier eine so schöne Aussicht! Ganz Rom bietet sich mir dar – jetzt, wo ich es nicht mehr aufsuchen kann!«
    Er hatte mit einer Geberde gegen das Fenster die Verlegenheit, das leichte Erröten verborgen, die ihn jedesmal überkamen, wenn er seinen Sohn derart entschuldigte, ohne die wahre Ursache, die Skrupeln des Biedermannes einzugestehen, die ihn bei seiner ärmlichen Einrichtung beharren ließen.
    »Das ist ja sehr schön! Das ist ja herrlich!« rief Pierre, um ihm ein Vergnügen zu machen. »Auch ich bin so glücklich, daß ich Sie endlich sehe! So glücklich, daß ich die tapferen Hände drücken kann, die so viel Großes verrichteten!«
    Abermals schien Orlando mit einer Geberde die Vergangenheit wegschieben zu wollen.
    »Pah, pah, das alles ist zu Ende, begraben ... Reden wir lieber von Ihnen, mein lieber Herr Froment, von Ihnen, der so jung ist und die Gegenwart bedeutet. Und reden wir rasch von Ihrem Buche, das die Zukunft vorstellt... Ah, wenn Sie wüßten, in welchen Zorn Ihr Buch, Ihr ›Neues Rom‹ mich anfangs versetzte!«
    Er lachte jetzt und griff nach dem Bande, der gerade auf dem Tisch neben ihm lag.
    »Nein, Sie können sich nicht vorstellen, wie oft ich beim Lesen protestirend in die Höhe gefahren bin!« sagte er, indem er mit seiner breiten Riesenhand auf den Umschlag klopfte. »Der Papst, und noch einmal der Papst, und immer wieder der Papst! Das neue Rom für den Papst und durch den Papst! Das triumphirende Rom von morgen, das, dank dem Papste, entsteht, sich dem Papst hingibt und seinen Ruhm mit dem Ruhme des Papstes verschmilzt! Nun, und wir? Und Italien? Und alle Millionen, die wir ausgegeben haben, um aus Rom eine große Hauptstadt zu machen? Ja, nur ein Franzose, und zwar nur ein Pariser, kann ein solches Buch geschrieben haben! Mein lieber Herr, lassen Sie es sich sagen, wenn Sie es nicht wissen: Rom ist die Hauptstadt des Königreiches Italien geworden; es gibt hier einen König Humbert und es gibt Italiener – ein ganzes Voll, welches mitzählt, das kann ich Sie versichern, ein Volk, das Rom, das glorreiche, das wiedererstandene, für sich zu behalten gedenkt!«
    Nun mußte Pierre über dieses jugendliche Feuer lachen.
    »Ja, ja, Sie haben es mir geschrieben. Aber was kümmert das mich? Von meinem Standpunkt aus ist Italien nur eine Nation, ein Teil der Menschheit; ich will die Eintracht, die Brüderlichkeit aller Nationen, eine versöhnte, gläubige und glückliche Menschheit! Was liegt an der Regierungsform, ob sie monarchisch oder republikanisch ist! Was liegt an dem einigen und unabhängigen Vaterlande, wenn es nur noch ein freies, in Gerechtigkeit und Wahrheit lebendes Volt gibt!«
    Orlando hatte von diesem begeisterten Aufschrei nur ein Wort zurückbehalten.
    »Die Republik!« fuhr er leise, mit nachdenklicher Mime fort. »Ja, ich habe sie in meiner Jugend innig ersehnt. Ich habe mich für sie geschlagen, habe mit Mazzini konspirirt, einem Heiligen, einem Gläubigen, der an dem Absoluten zerschellte. Und dann? Man mußte die praktische Notwendigkeit annehmen, die Intransigentesten haben sich rallirt. Und würde die Republik uns heute retten? Auf jeden Fall würde sie sich in nichts von unserer parlamentarischen Monarchie unterscheiden; sehen Sie, was in Frankreich vorgeht. Warum also eine Revolution wagen, welche die Macht in die Hände der extremen Revolutionäre, der Anarchisten brächte? Wir alle fürchten das, das zeigt unsere Resignation. Ich weiß wohl, daß einige die Rettung in einer republikanischen Föderation sehen; alle ehemaligen kleinen Staaten sollen in ebenso vielen Republiken wieder erstehen und Rom ihnen präsidiren. Der Vatikan hätte vielleicht bei der Sache viel zu gewinnen. Man kann nicht sagen, daß er darauf hinarbeitet; er faßt die Eventualität einfach ohne Mißvergnügen ins Auge. Aber das ist ein Traum, ein Traum!«
    Seine Heiterkeit, sogar ein Anflug feiner Ironie kamen wieder zum Vorschein.
    »Wissen Sie, was mich in Ihrem Buche verführt hat? Denn trotz meiner Proteste habe ich es zweimal gelesen. Es könnte nämlich beinahe von Mazzini selbst sein. Ja, ich habe in ihm meine ganze Jugend wieder gefunden, die

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