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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Vielleicht werden wir uns verstehen!«
    »Gewiß, gewiß,« sagte Pierre. »Sic sind zu gütig. Ich bin heute nur gekommen, um Ihnen für die Mühe, die Sie sich mit meinem Buche gegeben haben, meinen Dank auszudrücken und um in Ihnen eine der Zierden Italiens zu begrüßen.«
    Orlando hörte ihm nicht zu; er war zerstreut, seine Augen ruhten noch immer auf Rom. Er wollte nicht, daß davon gesprochen werde, aber wider Willen, ganz von seiner geheimen Unruhe beherrscht, fuhr er mit leiser Stimme, wie in einer unwillkürlichen Beichte, fort:
    »Gewiß, wir sind viel zu rasch vorwärts gegangen. Es gab unerläßliche, nützliche Ausgaben: Straßen, Häfen, Eisenbahnen. Und bewaffnet mußte das Land auch werden; ich habe anfangs die großen militärischen Lasten nicht mißbilligt. Aber später, dieses erdrückende Kriegsbudget – die Lasten eines Krieges, der nicht kam, dessen Erwartung uns zu Grunde richtete! O, ich war immer ein Freund Frankreichs; ich werfe ihm nichts vor, als daß es die Lage, die uns geschaffen wurde, den Entschuldigungsgrund nicht begriff, den wir hatten, als wir uns mit Deutschland verbündeten. Und die Milliarde, die Rom verschluckte! Das war Wahnsinn; wir haben aus Schwärmerei und aus Stolz gesündigt. Ich war in den Träumereien, denen sich der einsame Alte hingeben konnte, einer der ersten, der den Abgrund, die furchtbare finanzielle Krise, das Defizit ahnte, in die die Nation stürzen mußte. Ich habe es meinem Sohne, allen, die sich mir näherten, zugeschrieen, aber was half das? Sie hörten nicht auf mich, sie waren wahnsinnig, tauften, verlausten, bauten im Agio und in der Chimäre. Sic werden sehen, Sie werden sehen ... Das schlimmste ist, daß wir nicht, wie bei Ihnen, in der dichten Landbevölkerung einen Rückhalt an Geld und Menschenmaterial, einen Sparschatz haben, der immer bereit ist, die durch die Katastrophe entstandenen Löcher wieder auszufüllen. Bei uns regenerirt das Aufsteigen des Volkes, noch gleich Null, nicht das soziale Blut durch einen beständigen Zufluß von neuen Menschen. Außerdem ist das Volk arm; es hat keine Strümpfe, die es leeren könnte. Das Elend ist furchtbar, das muß man sagen. Wer Geld hat, zieht vor, es kleinlich in den Städten zu verzehren, als es bei landwirtschaftlichen oder industriellen Unternehmungen aufs Spiel zu setzen. Der Bau von Fabriken geht langsam vor sich. Der Boden untersteht fast überall noch der barbarischen Kultur wie vor zweitausend Jahren. Und Rom, Rom, das kein Italien geschaffen, das Italien durch seine feurige, einzige Sehnsucht zur Hauptstadt gemacht hat, Rom ist noch immer nur die prächtige Ruhmesdekorativ der Jahrhunderte, Rom hat uns mit seiner entarteten, hochmütigen und müßiggängerischen päpstlichen Bevölkerung noch nichts gegeben als den Prunk dieser Dekoration! Ich habe es zu sehr geliebt; ich liebe es zu sehr, als daß ich bedauern würde, hier zu sein. Aber, großer Gott, welchen Wahnsinn hat es in uns entfacht, wie viele Millionen hat es uns gekostet, wie drückt es uns mit seinem triumphirenden Gewicht zu Boden! Sehen Sie nur, sehen Sie!«
    Und er zeigte auf die farblosen Dächer des Finanzministeriums, die ungeheure, trostlose Steppe hinaus, als hätte er dort die im voraus geschnittene Ernte des Ruhmes, die furchtbare Oede des drohenden Bankerottes gesehen. Verhaltene Thränen verschleierten seine Augen: er sah herrlich aus in seiner erschütterten Hoffnung, seiner schmerzlichen Unruhe, mit seinem ungeheuren, weißhaarigen Löwenkopfe. Nun war er ohnmächtig, angenagelt an dieses kahle, helle, so hochmütig ärmliche Zimmer, das ein Protest gegen den monumentalen Reichtum des ganzen Viertels zu sein schien. Das war es also, was man aus der Eroberung gemacht hatte! Und jetzt war er vom Blitze zerschmettert, unfähig, noch einmal sein Blut und seine Seele hinzugeben!
    »Ja, ja,« schrie er auf, »alles gab man hin, das Herz und den Kopf, die ganze Existenz, so lange es sich darum handelte, das Vaterland einig und unabhängig zu machen. Aber jetzt, wo das Vaterland geschaffen ist, wer wird sich da für die Reorganisation feiner Finanzen begeistern! Das ist doch kein Ideal! Und so kommt es, daß, während die Alten sterben, kein neuer Mann unter den Jungen ersteht.«
    Plötzlich hielt er, etwas befangen und über sein eigenes fieberhaftes Ungestüm, lächelnd inne.
    »Entschuldigen Sie, ich bin wieder einmal durchgegangen. Ich bin wirklich unverbesserlich. Es ist abgemacht, wir lassen diesen Gegenstand

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