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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Vermögens begnügte, so träumte er doch von einem großen Lose für sein angebetetes Kind. Er fühlte wohl, daß das heroische Zeitalter beendet sei, und wollte aus ihm einen großen Politiker, einen großen Administrator, einen Mann machen, welcher der souveränen Nation von Morgen nützlich wäre. Aus diesem Grunde hatte er die königliche Gunst, den Lohn seiner langen Hingebung nicht zurückgestoßen; er wollte da sein, Luigi helfen, ihn überwachen und leiten. War er denn selbst so alt, so abgethan, daß er sich nicht in der Organisation nützlich machen konnte, so wie er es bei der Eroberung gewesen zu sein glaubte? Er hatte den jungen Mann im Finanzministerium untergebracht, da ihm sein lebhaftes Verständnis für Geschäftsangelegenheiten auffiel; vielleicht verriet ihm auch ein geheimer Instinkt, daß die Schlacht fortan auf finanziellem und ökonomischem Felde fortgesetzt werden würde. Und von neuem lebte er im Traum dahin; er glaubte noch immer voll Begeisterung an die herrliche Zukunft und sah mit unbegrenzter Hoffnung, wie Roms Bevölkerung sich verdoppelte, wie es sich durch das tolle Aufwachsen neuer Stadtteile vergrößerte. In seinen entzückten Liebhaberaugen ward es wieder die Königin der Welt.
    Plötzlich fuhr der Blitzstrahl herab. Als Orlando eines Morgens die Treppe hinabstieg, wurde er von einer Lähmung getroffen; beide Beine waren sofort abgestorben, schwer wie Blei. Man mußte ihn hinaustragen und nie wieder setzte er den Fuß aus das Straßenpflaster. Er war damals sechsundfünfzig Jahre alt; seit vierzehn Jahren hatte er seinen Lehnstuhl nicht verlassen. Er, der einst so gewaltig die Schlachtfelder von Italien durcheilte, war nun in steinerner Unbeweglichkeit auf seinem Stuhl festgenagelt. Das war ein großer Jammer – der Fall eines Helden. Das Schlimmste dabei war, daß der alte Soldat von dem Zimmer aus, in dem er gefangen war, dem langsamen Zusammenbruch aller seiner Hoffnungen beiwohnte und in der uneingestandenen Furcht vor der Zukunft von einer furchtbaren Schwermut überfallen wurde. Seit er durch den Rausch der Thätigkeit nicht mehr geblendet wurde und seine langen, leeren Tage mit Nachdenken zubrachte, sah er endlich klar. Dieses Italien, das er so gern mächtig, in triumphirender Einheit gesehen hatte, benahm sich wie wahnwitzig, eilte dem Ruin, vielleicht dem Bankerott entgegen. Dieses Rom, das für ihn stets die notwendige Kapitale, die ruhmreiche Stadt ohnegleichen war, deren das erste Volk von Morgen bedurfte, schien sich gegen die Rolle einer großen, modernen Hauptstadt zu sträuben; es war schwer wie ein Toter, es lastete mit dem Gewicht der Jahrhunderte auf der Brust der jungen Nation. Außerdem brachte ihn sein Sohn, sein Luigi, in Verzweiflung; er war rebellisch in jeder Richtung; er stürzte sich auf die noch warme Beute, dieses Italien, dieses Rom, das sein Vater nur erstrebt zu haben schien, damit er selbst es plündere und sich an ihm mäste. Vergebens hatte er sich seinen Austritt aus dem Ministerium, seiner zügellosen Spekulation mit Grundstücken und Immobilien widersetzt, welche der Wahnsinn der neuen Stadtteile veranlaßt hatte. Er betete ihn trotzdem an und mußte schweigen, besonders seit ihm die waghalsigsten finanziellen Operationen gelungen waren: so zum Beispiel die Umwandlung der Villa Montefiori in eine wirkliche Stadt. Das war ein kolossales Geschäft gewesen, bei dem die Reichsten zu Grunde gegangen waren, aus dem er sich aber mit Millionen zurückgezogen hatte. Stumm und verzweifelt bestand Orlando steif darauf, in dem kleinen Palaste, den Luigi Prada in der Via Venti Settembre erbauen ließ, nur ein schmales Zimmer zu bewohnen. Hier verbrachte er seine Tage in klösterlicher Abgeschiedenheit, nur mit einem einzigen Diener; er nahm von seinem Sohne nichts an als diese Gastfreundschaft und lebte ärmlich von seiner bescheidenen Rente.
    Als Pierre in dieser neuen, auf den Abhang und den Gipfel des Viminal führenden Via Venti Settembre anlangte, fiel ihm die schwere Pracht der neuen Paläste auf, in der sich der ererbte Geschmack für das Ungeheure aussprach. In dem purpurnen Altgold der heißen Nachmittagssonne verriet diese breite Triumphstraße, diese Doppelreihe endloser, weißer Fassaden die stolze Zukunftshoffnung des neuen Rom, die Herrschaftsgelüste, die diese gewaltigen Bauten aus dem Boden sprießen ließen. Besonders vor dem Finanzministerium blieb er mit offenem Munde stehen; das ist eine gigantische Masse, eine Zusammenhäufung

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