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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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jetzt, und wenn Sie alles gesehen haben werden, kommen Sie wieder und wir werden mit einander plaudern.«
    Von nun an gab er sich bezaubernd, und Pierre ersah aus der verführerischen Gutmütigkeit, aus der überwältigenden Freundlichkeit, mit der er ihn umgab, wie leid es ihm that, zu viel gesprochen zu haben. Er beschwor ihn, lange in Rom zu bleiben, es nicht voreilig zu beurteilen, überzeugt zu sein, daß Italien im Grunde Frankreich immer liebe; er wünschte ebenso lebhaft, daß man Italien lieben solle, und empfand eine wahre Angst bei dem Gedanken, daß man es vielleicht nicht mehr liebe. Der Priester war sich wie tagszuvor im Paläste Boccanera deutlich bewußt, daß eine Art von Druck auf ihn ausgeübt werde, um ihn zur Bewunderung und zur Zärtlichkeit zu zwingen. Gleich einer Frau, die fühlt, daß sie nicht schön ist, an sich zweifelt und empfindlich ist, ängstigte sich Italien um die Meinung der Besucher und bemühte sich, ihre Liebe trotz allem zu bewahren.
    Als jedoch Orlando erfuhr, daß Pierre im Palast Boccanera abgestiegen war, ereiferte er sich von neuem und machte eine Geberde lebhaften Aergers, als gerade in diesem Augenblick an der Thür geklopft wurde. Er rief »Herein,« hielt ihn aber dabei zurück.
    »Nein, gehen Sie noch nicht. Ich will wissen – «
    Eine Dame trat ein. Sie hatte das vierzigste Lebensjahr hinter sich, war rund und klein, noch hübsch, mit kleinen Zügen und einem artigen Lächeln, das im Fett ertrank. Sie hatte blondes Haar und grüne Augen, klar wie Quellwasser, war ziemlich gut gekleidet und sah in ihrer eleganten und einfachen reseda Toilette angenehm, bescheiden und bedächtig aus.
    »Ah, Du bist's Stefana!« sagte der Greis und ließ sich von ihr küssen.
    »Ja, Onkel. Ich ging vorüber und trat ein, um mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen.«
    Es war Frau Sacco, eine Nichte Pradas. Sie war in Neapel geboren, ihre Mutter stammte aus Mailand und hatte den neapolitanischen Bankier Pagani geheiratet, der später insolvent geworden war. Nach dem Ruin hatte Stefana sich mit Sacco vermählt, der damals bloß ein kleiner Postbeamter war. Von da an hatte sich Sacco, der das Haus seines Schwiegervaters wieder in die Hohe bringen wollte, in schreckliche, verwickelte und verdächtige Geschäfte gestürzt und schließlich das unerwartete Glück gehabt, zum Deputirten gewählt zu werden. Seit er nach Rom gekommen war, um es seinerseits zu erobern, mußte seine Frau ihm bei seinem verzehrenden Ehrgeiz helfen, Toilette machen und einen Salon eröffnen. Sie war dabei wohl noch etwas linkisch, leistete ihm jedoch trotzdem nicht zu verachtende Dienste, da sie sehr sparsam, sehr umsichtig und eine gute Wirtin war; sie besaß, als Erbe ihrer Mutter, alle die trefflichen und soliden Eigenschaften Norditaliens, die sich neben dem unruhigen Wesen und der Liederlichkeit ihres Gatten, bei dem Süditalien mit seinen Gelüsten stets wieder aufflammte, prächtig ausnahmen.
    Der alte Orlando, der Sacco verachtete, hatte seiner Nichte, bei der er sein Blut wieder fand, eine gewisse Zuneigung bewahrt. Er dankte ihr und fing sofort von der Neuigkeit an, welche die Morgenblätter gebracht hatten; denn er ahnte wohl, daß der Deputirte seine Frau hergeschickt habe, um seine Meinung zu erfahren.
    »Nun, und wie steht es mit dem Ministerium?«
    Sie hatte sich niedergesetzt und sah, ohne sich zu eilen, die Zeitungen durch, die auf dem Tische herumlagen.
    »O, es ist noch nichts abgemacht. Die Presse hat zu voreilig davon gesprochen. Der Conseilspräsident hat Sacco berufen und sie haben eine Besprechung gehabt. Aber er zögert sehr; er fürchtet, für Ackerbau keine Befähigung zu haben. Ja, wenn es die Finanzen wären! Und dann, er würde auch keinen Entschluß gefaßt haben, ohne Sie zu Rate zu ziehen. Was halten Sie davon, Onkel?«
    Er unterbrach sie mit einer heftigen Geberde.
    »Nein, nein, in solche Dinge mische ich mich nicht!«
    Der rasche Erfolg Saccos, dieses Abenteurers, der bei allem dabei war, der immer im Trüben fischte, war für ihn ein Greuel, der Anfang des Endes. Sein Sohn Luigi brachte ihn ja in Verzweiflung, aber wenn man bedachte, daß Luigi mit seiner riesigen Intelligenz, seinen noch immer so schönen Eigenschaften nichts war, während dieser Sacco, dieser Wirrkopf, dieser ewig gierige Genüßling sich in die Kammer geschlichen hatte und nun auf dem besten Wege war, ein Ministerportefeuille einzustecken! Sacco war ein kleiner, brauner, dürrer Mann mit großen runden Augen,

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