Rom: Band 1
hervorstehenden Backenknochen und prominentem Kinn, der immer tanzte und schrie. Er besaß eine blendende Beredsamkeit, deren ganze Macht in der Stimme lag – einer Stimme von wunderbarer Gewalt und Sanftmut. Und er schmeichelte und machte sich alles zu nutze, verführte und herrschte!
»Hörst Du, Stefana, sage Deinem Manne, der einzige Rat, den ich ihm geben kann, ist, wieder ein kleiner Beamter bei der Post zu werden. Dort wird er vielleicht Dienste leisten können.«
Den alten Soldaten verletzte und empörte es, daß ein solcher Mann wie Sacco gleich einem Banditen in Rom eingefallen war, in dieses Rom, dessen Eroberung so viele edle Anstrengungen gekostet hatte. Und Sacco eroberte es nun seinerseits, nahm es denen weg, die es mit so harter Mühe gewonnen, besaß es, aber nur um sich daran zu ergötzen, um seine zügellose Sucht nach Macht damit zu stillen. Unter einer schmeichelnden Außenseite barg sich die Entschlossenheit, alles zu verschlingen. Nach dem Siege, als die Beute noch warm dalag, waren die Wölfe gekommen. Der Norden hatte Italien geschaffen; der Süden eilte auf die Beute zu, warf sich über sie und lebte von ihr wie von einem Raube. Und dem Zorne des zerschmetterten Helden lag vor allem der immer deutlicher hervortretende Antagonismus zwischen Nord und Süd zu Grunde: der Norden, arbeitsam und sparsam, bedacht, politisch, gelehrt und ganz den modernen Ideen hingegeben; der Süden, unwissend und faul, ganz der unmittelbaren Lebensfreude ergeben, mit der kindischen Unordnung der Handlungen, mit dem leeren Glanz schöner, tönender Worte.
Stefana lächelte ruhig, indem sie Pierre anblickte, der sich an das Fenster zurückgezogen hatte.
»O Onkel, Sie reden nur so! Aber Sie haben uns trotzdem lieb und haben mir schon mehr als einen guten Rat gegeben, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin. So auch bei der Geschichte mit Attilio ...«
Sie sprach von ihrem Sohn, dem Lieutenant und seinem Liebesabenteuer mit Celia, der kleinen Prinzessin Buongiovanni, von dem alle schwarzen und weißen Salons sich unterhielten.
»Attilio – das ist etwas anderes!« rief Orlando. »Er ist mein Blut, so wie Du, und es ist wunderbar, wie ich mich in dem Kerl wieder finde. Ja, er ist ganz wie ich, als ich so alt war – schön und tapfer und schwärmerisch! Du siehst, ich mache mir selbst Komplimente. Aber wirklich, Attilio liegt mir am Herzen, denn er ist die Zukunft, er gibt mir die Hoffnung wieder ... Nun, wie steht seine Geschichte?«
»Ach, Onkel, seine Geschichte macht uns vielen Aerger. Ich habe mit Ihnen schon davon gesprochen. Sie zuckten die Achseln und meinten, bei solchen Dingen hätten die Eltern nichts anderes zu thun, als die Liebenden ihre Angelegenheiten selbst in Ordnung bringen zu lassen ... Wir wollen aber doch nicht, daß man überall sagt, wir trieben unsern Sohn dazu, die kleine Prinzessin zu entführen, damit er dann ihr Geld und ihren Titel heiraten könne.«
Orlando ließ sich unverhohlen gehen.
»Das sind mir rechte Skrupel! Hat Dein Mann Dir aufgetragen, sie vor mir auszusprechen? Ja, ich weiß, daß er bei diesen Gelegenheiten den Zartfühlenden spielen will ... Ich wiederhole Dir, ich halte mich für ebenso ehrenhaft, wie er es ist, und wenn ich einen Sohn wie den Deinigen hätte, so offenherzig, so gut, so naiv verliebt, so würde ich ihn heiraten lassen, wen er wollte und wie er wollte! Die Buongiovannis! Lieber Gott, für die Buongiovannis, bei all ihrem Adel und dem Gelde, das sie noch haben, wird es eine große Ehre sein, einen so schönen Jungen mit einem solchen Herzen zum Schwiegersohn zu haben.«
Von neuem nahm Stefanas Gesicht den Ausdruck ruhiger Befriedigung an. Sie kam sicherlich nur, um Zustimmung einzuholen.
»Gut, Onkel, ich werde es meinem Manne wieder sagen, und er wird großes Gewicht darauf legen; denn wenn Sie auch strenge gegen ihn sind, er fühlt eine wirkliche Verehrung für Sie ... Was das Ministerium anbelangt ... mein Gott, vielleicht wird gar nichts daraus. Sacco wird den Umstanden gemäß seinen Entschluß fassen.«
Sie hatte sich erhoben und verabschiedete sich von dein Greise, indem sie ihn wie beim Kommen sehr zärtlich umarmte. Sie machte ihm Komplimente über sein gutes Aussehen, fand ihn sehr schön und brachte ihn zum Lächeln, indem sie eine Dame nannte, die noch in ihn vernarrt sei. Dann entfernte sie sich mit bescheidener und vernünftiger Miene, nachdem sie den stummen Gruß des jungen Priesters mit einer leichten Verbeugung erwidert
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