Rom: Band 1
diese wollüstige Luft, für diese sonnenverbrannten Städte voll antiken Staubes, sich hier gleich der natürlichen Vegetation des von den Verbrechen der Geschichte getränkten Bodens entfaltete und nach und nach alles, Macht und Reichtum, an sich riß.
Der Name Sacco wurde genannt; der Vater erzählte dem Sohne von dem Besuche Stefanas. Beide sahen sich lächelnd an, ohne eine weitere Bemerkung zu machen. Es ging das Gerücht, daß der verflossene Ackerbauminister vielleicht nicht sofort ersetzt werden, daß ein anderer Minister einstweilig die Geschäfte führen und die Eröffnung der Kammer abgewartet werden würde.
Dann kam die Rede auf den Palazzo Boccanera; mit regem Interesse verdoppelte Pierre seine Aufmerksamkeit.
»Ah, Sie sind in der Via Giulia abgestiegen,« rief der Graf. »Dort schläft das ganze alte Rom in der Stille der Vergangenheit.«
Er sprach sehr unbefangen vom Kardinal und sogar von Benedetta, der Gräfin, wie er seine Frau im Gespräche nannte. Er bemühte sich, keinerlei Zorn zu zeigen. Aber der junge Priester fühlte, daß es in ihm zuckte, noch immer blutete und vor Groll tobte. Die Begierde nach dem Weibe brach bei ihm mit der Heftigkeit eines Bedürfnisses los, das sofort befriedigt werden mußte; zweifellos war das wieder eine der verdorbenen Tugenden des Vaters, die schwärmerische Begeisterung, die dem Ziel zueilte, zum unverzüglichen Handeln drängte. Er hatte daher nach dem Verhältnis mit der Fürstin Flavia, als er Benedetta, die göttliche Nichte einer noch so schönen Tante, besitzen wollte, sich in alles ergeben: in eine Heirat, in den Kampf mit diesem jungen Mädchen, das ihn nicht liebte, in die sichere Gefahr, ihr ganzes Leben zu verderben. Lieber hätte er Rom angezündet, als auf sie verzichtet. Und das, woran er jetzt ohne Hoffnung auf Heilung litt, die unablässig frisch aufbrechende Wunde, die er in der Brust trug, das war das Bewußtsein, sie nicht besessen zu haben, sich sagen zu müssen, daß sie sein war und sich ihm verweigert hatte. Den Schimpf konnte er nie verzeihen; die Wunde blieb am Grunde seiner ungestillten Leidenschaft, wo der geringste Hauch ihr Brennen wieder weckte. Und unter der korrekten Außenseite dieses Mannes verbarg sich ein rasender, eifersüchtiger und rachsüchtiger, eines Verbrechens fähiger Wollüstling.
»Der Herr Abbé hat davon Kenntnis,« murmelte der alte Orlando mit seiner traurigen Stimme.
Prada machte eine Geberde, als wolle er sagen, daß alle Welt davon Kenntnis habe.
»Ach, Vater, wenn ich Ihnen nicht gehorcht hätte, würde ich mich nie zu diesem Annullirungsprozeß der Ehe hergegeben haben! Dann hätte die Gräfin wohl in die eheliche Wohnung zurückkehren müssen und wäre heute nicht in der Lage, sich mit ihrem Geliebten, diesem Dario, dem Vetter, über uns lustig zu machen.«
Orlando wollte seinerseits mit einer Geberde Protestiren.
»Aber gewiß, Vater. Warum denn, glauben Sie, ist sie von hier geflohen, wenn nicht, um in ihrem eigenen Hause in den Armen des Geliebten zu leben? Ich finde sogar, daß der Palast in der Via Giulia mit seinem Kardinal recht unschickliche Dinge beschützt.«
Dieses strafbare, ihm zufolge öffentlich bekannte, schamlose Verhältnis war das Gerücht, das er verbreitete, die Anklage, die er überall gegen seine Frau erhob. Trotzdem glaubte er eigentlich selbst nicht daran; denn er kannte allzu wohl die feste Vernunft Benedettas, den abergläubischen, gleichsam mystischen Begriff, den sie in ihre Jungfräulichkeit legte, sowie ihre Absicht, nur dem Manne anzugehören, den sie lieben und der ihr Gatte vor Gott sein würde. Aber er hielt eine solche Beschuldigung für ehrlichen Kriegsbrauch und für sehr wirksam.
»Richtig!« rief er plötzlich, »Sie wissen, Vater, »ich habe Einsicht in die Eingabe Muranos erhalten. Es steht also fest, wenn die Ehe nicht vollzogen werden konnte, so geschah es infolge Unvermögens des Gatten.«
Er brach in lautes Gelächter aus; er wollte zeigen, daß er das für den Gipfel des Komischen halte. Aber er war vor heimlicher Erbitterung erblaßt, sein lachender Mund hatte einen harten, grausam mörderischen Ausdruck; offenbar hatte ihn nur diese falsche, für einen Mann von seiner Virilität beschimpfende Beschuldigung des Unvermögens bewogen, sich in diesem Prozeß zu verteidigen, von dem er anfangs nichts wissen wollte. Er würde also Prozeß führen. Uebrigens sei er überzeugt, daß seine Frau die Annullirung der Ehe nicht erreichen würde. Und noch
Weitere Kostenlose Bücher