Rom: Band 1
die Gründung Roms zurückzuführen schienen, wurde sein Interesse wach und eine erste Erregung ließ sein Herz klopfen. Gewiß kam das nicht daher, weil es ein wunderbares Schauspiel war, denn es handelte sich nur um einige Blöcke behauener und ohne Zement oder Kalk über einander gelegter Steine. Aber eine Vergangenheit von siebenundzwanzig Jahrhunderten erstand hier und diese zerbröckelten, geschwärzten Steine, die ein so mächtiges Gebäude von Pracht und Allmacht getragen halten, nahmen eine außerordentliche Majestät an.
Sie setzten ihren Rundgang fort und schritten wieder nach rechts, stets an der Flanke des Berges entlang. Die Ausläufer der Paläste mußten bis hieher gereicht haben: Reste von Portilen, von zusammengebrochenen Sälen, noch aufrechtstehende Säulen und Friese begrenzten den holperigen Weg, der sich zwischen wirren Kirchhofsgräbern hinzog. Der Führer, der das, was er wußte, so gut hersagte, weil er es seit zehn Jahren täglich wiederholt hatte, fuhr fort, die unsichersten Hypothesen aufzustellen, indem er jedem der Trümmer einen Namen, eine Verwendung, eine Geschichte beilegte.
»Das Haus des Augustus,« sagte er zuletzt mit einer auf den Erdschutt deutenden Handbewegung.
Diesmal wagte Pierre, da er absolut nichts sah, zu fragen:
»Wo denn?«
»Ach, Herr Abbé, es scheint, daß man noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts die Fassade davon sah. Der Eingang war von der andern Seite, von der Sacra Via aus. Auf dieser Seite befand sich ein riesiger Balkon, der auf den Zirkus Maximus ging. Von ihm aus konnte man den Spielen beiwohnen. Uebrigens ist der Palast, wie Sie konstatiren können, noch immer fast gänzlich unter dem großen Garten da oben, dem Garten der Villa Mills begraben. Aber wenn man das Geld für die Ausgrabungen haben wird, wird man ihn wieder finden, das steht fest, gerade so wie den Tempel des Apollo und den der Vesta, die ihn begleiteten.«
Er wandte sich nach links und trat in das Stadium, den kleinen Zirkus für die Wettläufe, der sich dicht an der Flanke des Palastes des Augustus hinzog. Jetzt begann der Priester gepackt und begeistert zu werden. Nicht, daß sich hier eine genügend erhaltene Ruine von monumentalem Aussehen befunden hätte – keine Säule war auf ihrem Platze geblieben, bloß die rechten Mauern erhoben sich noch, aber der ganze Plan war wieder gefunden worden, die Pfeiler an jedem Ende, der Portikus rings um die Bahn, die kolossale Loge des Kaisers, die, nachdem sie links im Hause des Augustus gewesen, dann in den Palast des Septimius Severus eingelassen wurde und sich nach rechts geöffnet hatte. Und der Führer schritt immer weiter durch diese zerstreuten Trümmer, gab reichliche und genaue Erklärungen und versicherte, daß die Herren von der Direktion der Ausgrabungen ihr Stadium bis in die kleinste Einzelheit festgestellt hatten, so daß sie im Begriffe waren, einen genauen Plan davon zu machen, mit der Reihenfolge der Säulen, der Statuen in den Nischen, der Natur des Marmors, von dem die Mauern bedeckt waren.
»O, die Herren sind ganz ruhig,« schloß er und sah dabei beseligt aus. »Die Deutschen werden nichts zu sticheln haben und werden hier nicht alles auf den Kopf stellen, so wie sie es am Forum gemacht haben, wo man sich nicht mehr auskennt, seit sie mit ihrer Wissenschaft darüber gekommen sind.«
Pierre lächelte und sein Interesse wuchs noch, als er ihm über zerbrochene Treppen und über die Holzbrücken, welche die Löcher überspannten, in die riesigen Ruinen des Palastes des Septimius Severus folgte Der Palast erhob sich an der südlichen Spitze des Palatin und beherrschte die Via Appia und die ganze Campagna bis in unabsehbare Ferne. Nichts ist davon übrig als der Unterbau, die unterirdischen Säle, die von den Bogen der Terrassen geschützt wurden, mit denen man die zu eng gewordene Plattform des Berges erweitert hatte. Und diese aufgedeckten Unterbauten genügen, um eine Idee von dem prunkhaften Palast zu geben, den sie trugen, so ungeheuer und mächtig sind sie in ihrer unzerstörbaren Masse geblieben, hier erhob sich das berühmte Septizonium, der Turm mit den sieben Stockwerken, der erst im vierzehnten Jahrhundert verschwand. Hier befindet sich noch eine von cyklopischen Arkaden getragene Terrasse, von der sich ein wunderbarer Ausblick darbietet. Dann kommt nichts als eine Anhäufung dicker, halb zerfallener Mauern, gähnende Abgründe inmitten von zusammengestürzten Decken, Reihen endloser Korridore und ungeheurer
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