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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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rief er mit einer Miene, als hätte er das Interessanteste vergessen:
    »Zum Schluß müssen wir den unterirdischen Gang ansehen, wo Caligula ermordet wurde.«
    Und sie stiegen in einen langen gedeckten Korridor hinab, in den die Sonne heutzutage durch Breschen fröhliche Strahlen hinabsendet. Einige Stück Zieraten und Mosaiken sind noch sichtbar. Der Ort ist deswegen nicht weniger düster und einsam, für tragisches Grauen wie geschaffen. Die Stimme des alten Soldaten klang dumpfer; er erzählte, wie Caligula, von den palatinischen Spielen zurückkehrend, die Laune gehabt habe, allein in diesen Gang hinab zu steigen, um den heiligen Tänzen beizuwohnen, die junge Asiaten dort an diesem Tage übten. Und so kam es, daß der Führer der Verschworenen, Chereas, ihn als erster im Dunkeln in den Bauch stechen konnte. Der Kaiser wollte heulend fliehen. Aber da warfen sich die Mörder, seine Kreaturen, seine geliebtesten Freunde alle auf ihn, schleuderten ihn zu Boden, zerhackten ihn mit Stichen, während er, wahnsinnig vor Furcht und Wut, den dunklen, dumpfen Gang mit seinem Geheul erfüllte, wie ein Tier, das abgeschlachtet wird. Als er tot war, trat wieder Stille ein und die Mörder flohen entsetzt.
    Der Besuch der klassischen Ruinen des Palatin war zu Ende. Als Pierre wieder oben war, hatte er nur einen Wunsch, nämlich seinen Führer los zu werden und allein in diesem heimlichen, träumerischen Garten zu bleiben, der den Gipfel des Rom beherrschenden Berges einnahm. Seit bald drei Stunden lief er herum und summte diese dicke, eintönige Stimme an seinem Ohr vorüber, ohne ihm auch nur einen einzigen Stein zu erlassen. Jetzt kam der Wackere wieder auf seine Freundschaft zu Frankreich zurück und schilderte weitschweifig die Schlacht von Magenta. Er nahm mit einem guten Lächeln das Silberstück, das der Priester ihm gab und ging dann an die Schlacht von Solferino. Das drohte kein Ende zu nehmen, als der Zufall eine Dame herführte, die eine Auskunft haben wollte. Sofort begleitete er sie.
    »Guten Abend, Herr Abbé. Sie können durch den Palast des Caligula hinaus. Und Sie wissen, daß eine geheime, in die Erde gegrabene Treppe von diesem Palast in das Haus der Vestalinnen, da unten, auf das Forum führte. Man hat sie nicht aufgefunden, aber sie muß da sein.«
    Ach, welch köstliche Erleichterung, als Pierre endlich allein war und sich einen Augenblick auf eine der Marmorbänke des Gartens niederlassen konnte! Es gab hier nur einige Baumgruppen, Buchs, Cypressen, Palmen, aber die schönen, grünen Wintereichen, unter denen die Bank sich befand, verbreiteten einen dunklen, köstlich frischen Schatten. Der Zauber rührte auch von der träumerischen Einsamkeit, der schauernden Stille, die von diesem alten Boden ausging, der von der Geschichte, von der aufsehenerregendsten, in der vollen Pracht eines übermenschlichen Stolzes prangenden Geschichte getränkt war. Einst hatten die sarnesischen Gärten diesen Teil des Berges in einen angenehmen, mit Hainen geschmückten Aufenthalt verwandelt; die stark beschädigten Gebäude der Villa bestehen noch und zweifellos hat der Ort eine eigene Anmut bewahrt. Der Hauch der Renaissance streicht noch immer wie eine Liebkosung durch das glänzende Laub der alten Wintereichen. Man befindet sich da inmitten der Vergangenheit, inmitten des leichtbeschwingten Volkes der Visionen, unter dem schwebenden Atem zahlloser, in dem Rasen schlafender Generationen.
    Aber das in der Ferne, rings um den erhabenen Hügel zerstreute Rom lockte Pierre so lebhaft, daß er nicht sitzen bleiben konnte. Er erhob sich und näherte sich der Brustwehr einer Terrasse. Unter ihm breitete sich das Forum aus und am Ende erschien der Monte Capitolino.
    Es war nichts weiter als eine Anhäufung von grauen Gebäuden, ohne Schönheit oder Größe. Man sah nichts als die den Berg beherrschende Rückfassade des Senatorenpalastes, eine flache Fassade mit schmalen Fenstern, die den hohen, viereckigen Campanile überragte. Diese große, kahle, rostfarbene Mauer verbarg die Kirche S. Maria in Aracoeli, den Gipfel, wo einst der Tempel des Jupiter Capitolinus, übermenschlichen Schutz gewährend, königlich prangte. Weiter links, auf dem Abhang des Monte Caprino, wo im Mittelalter die Ziegen weideten, erhoben sich häßliche Häuser, während die paar schönen Bäume des von der englischen Botschaft bewohnten Palastes Cassarelli mit ihrem Grün den Gipfel des alten Tarpejischen Felsens bedeckten, der heute beinahe unauffindbar,

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