Rom: Band 1
Paläste aufrecht und glanzvoll vor sich; nun hatte er sie vor sich, um sich. Sie waren wie zusammengeschweißt, einige nur durch schmale Gänge getrennt. Durch den Wunsch der Erbauer, keinen Zollbreit von diesem heiligen Hügel zu verlieren, waren sie in einer gedrängten Masse ausgeschossen, wie eine ungeheuerliche Blüte regelloser Kraft und Macht; nur Millionen genügten für sie, und für den Genuß eines einzelnen mußte die Welt bluten. In Wirklichkeit war alles nur ein einziger Palast, der unaufhörlich wuchs, indem der verstorbene Kaiser zum Gott wurde und der neue Kaiser, die geheiligte, zum Tempel gewordene Wohnung verlassend, wo vielleicht der Schatten des Toten ihn erschreckte, das gebieterische Bedürfnis empfand, sich ein eigenes Haus zu bauen, das unzerstörbare Andenken seiner Regierung in den ewigen Stein zu hauen. Alle hatten diese Bauwut an sich; sie schien dem Boden, dem Thron, auf dem sie saßen, anzuhaften und wurde in jedem von ihnen mit wachsender Stärke neu geboren. Sie wurden von dem Bedürfnis verzehrt, wettzueifern, einander durch immer dickere und höhere Mauern, durch immer außerordentlichere Anhäufung von Marmor, Säulen, Statuen zu übertreffen. Alle beherrschte derselbe Gedanke an ein glorreiches Ueberleben; sie wollten den verblüfften Generationen das Zeugnis ihrer Größe hinterlassen, sich in den unvergänglichen Wunderwerken fortpflanzen, für ewig mit dem ganzen Gewicht dieser Kolosse auf der Erde lasten, wenn der Wind bereits ihre leichte Asche davongetragen haben würde. Und so war die Plattform des Palatin nichts mehr gewesen als die ehrwürdige Grundlage eines wunderbaren Monumentes, einer kräftigen Vegetation von neben einander gestellten, über einander gehäuften Gebäuden. Jeder neue Baukörper war ein eruptiver Anfall des Hochmutfiebers und die ganze Masse krönte zuletzt mit dem Schneeglanz des weißen Marmors, mit den lebhaften Tönen des bunten Marmors Rom und die gesamte Erde mit dem außerordentlichsten und übermütigsten Herrscherhause, Palast, Tempel oder Dom, die sich je in den Himmel erhoben.
Aber in diesem Uebermaß von Kraft und Ruhm lag der Tod. Siebeneinhalb Jahrhunderte Monarchie und Republik hatten Rom groß gemacht, und in den fünf Jahrhunderten des Kaiserreiches sollte das erste Volk bis auf den letzten Muskel verzehrt werden. Das kam daher, weil das ungeheure Territorium, die fernsten Provinzen nach und nach geplündert, erschöpft worden waren, weil der Fiskus alles auffraß, den Abgrund des unvermeidlichen Bankerotts aushöhlte; es kam auch daher, weil das Volk entartet, von dem Gifte der Schauspiele genährt, in den schwelgerischen Müßiggang der Cäsaren verfallen war, während Mietlinge die Schlachten kämpften und den Boden bearbeiteten. Seit Konstantin hatte Rom eine Nebenbuhlerin, Byzanz. Die Zerstückelung geschieht durch Honorius und nun genügen zwölf Kaiser zum Vollenden des Zersetzungswerkes, zum Zerreißen der sterbenden Beute – bis zu Romulus Augustulus, dem letzten, dem elenden Schwächling, dessen Name gleichsam eine Verhöhnung der ganzen glorreichen Geschichte, ein doppelter Schlag gegen die Gründer Roms und die Gründer des Kaiserreiches ist. Auf dem verlassenen Palatin triumphirte noch immer der gewaltige Haufen von Mauern, Stockwerken, Terrassen und hohen Dächern. Doch hatte man bereits Zierate abgerissen und Statuen entfernt, um sie nach Byzanz zu schaffen. Das christlich gewordene Kaiserreich schloß dann die Tempel, verlöschte das Feuer der Vesta, respektirte jedoch noch das uralte Palladium, die goldene Viktorstatue, das Symbol des ewigen Rom, das ehrfürchtig im Zimmer des Kaisers selbst bewahrt wurde. Aber im fünften Jahrhundert stürzen sich die Barbaren auf Rom, plündern, zünden es an und schleppen Karren voll der von den Flammen verschonten Beute weg. So lange die Stadt von Byzanz abhängig war, hatte ein Oberverwalter in den kaiserlichen Palästen gewohnt und den Palatin bewacht. Dann geht alles unter, bricht alles in der Nacht des Mittelalters zusammen. Es scheint, daß die Päpste fortan langsam den Platz der Cäsaren einnahmen; sie waren ihre Nachfolger in dem verlassenen Marmorhause und dem noch immer lebendigen Herrscherwillen. Sie haben sicherlich den Palast des Septimius Severus bewohnt und im Septizonium ist ein Konzil abgehalten worden, so wie später Gelasius II. in einem benachbarten Kloster auf diesem vergötterten Berge gewählt ward. Wieder war es Augustus, der sich aus dem Grabe erhob
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