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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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– wieder war er mit seinem heiligen Kollegium, das den römischen Senat auferstehen ließ, Herr der Welt. Im zwölften Jahrhundert gehörte das Septizonium Mönchen, die es der mächtigen Familie Frangipani abtraten. Diese verstärkten es, sowie sie das Kolosseum, den Triumphbogen des Konstantin und des Titus verstärkt hatten, zu einer riesigen, den ehrwürdigen Berg, die Wiege, beinahe ganz einnehmenden Festung. Und die Gewaltthaten der Bürgerkriege, die Verwüstungen der Invasionen gingen darüber hinweg wie Orkane, schlugen die Mauern zu Boden, schleiften die Paläste und Türme. Später kamen Generationen, die die Ruinen an sich rissen, sich darin mit dem Recht des Finders und Eroberers niederließen, daraus Keller, Fourageboden, Ställe für die Maultiere machten. Auf dem Erdschutt, der den Mosaikboden der kaiserlichen Paläste bedeckte, entstanden Gemüsegärten, wurden Weingärten gepflanzt. Von allen Seiten schossen Nesseln und Dornen auf, die diese einsamen Felder verstopften, und der Epheu fraß vollends die am Boden liegenden Portiken. Und ein Tag kam, wo der gewaltige Haufe von Palästen und Tempeln, wo die glänzende Behausung der Kaiser, denen der Marmor Ewigkeit hätte verleihen sollen, in den Staub des Bodens zurückzukehren schien; alles verschwand unter der Schlagwelle von Erde und Vegetation, die die gefühllose Natur darüber wälzte. Unter den Feldblumen, in der brennenden Sonne war nichts mehr zu sehen als große Summfliegen, während die Ziegenherden frei in dem Thronsaal des Domitian und dem zertrümmerten Heiligtum des Apoll herumschweiften.
    Pierre fühlte, wie ein heftiger Schauer ihn überlief. So viel Kraft und Stolz, so viel Größe – und so rasch zerfallen, für immer hinweggefegt! Welch neuer, barbarischer, rächender Hauch hatte über diese glänzende Zivilisation streichen müssen, um sie so auszulöschen, in welch tiefen, erquickenden Schlaf, in was für eine kindlich wilde Unwissenheit mußte sie gefallen sein, um so plötzlich mit ihrem Gepränge und ihren Meisterwerken unterzugehen! Er fragte sich, wie es möglich war, daß ganze Paläste samt ihren bewunderungswürdigen Skulpturen, Säulen und Statuen nach und nach versinken, verschwinden konnten, ohne daß es jemand einfiel, sie zu beschützen. Diese Meisterwerke, die man später unter einem allgemeinen Aufschrei der Bewunderung ausgrub, waren nicht von einer Katastrophe verschlungen worden; nein, sie waren gleichsam ertrunken, von der steigenden Flut an den Füßen, dann um die Mitte, dann um den Hals gepackt worden, bis zuletzt eines Tages auch der Kopf untersank. Wie läßt es sich erklären, daß Generationen unbekümmert dem beiwohnten und nicht einmal daran dachten, eine Hand auszustrecken? Ein schwarzer Vorhang scheint plötzlich über die Welt gezogen zu werden; eine neue Menschheit hebt an, mit einem neuen Gehirn, das neu gestaltet und neu bereichert werden muß. Rom hatte sich geleert; was Schwert und Flamme beschädigt hatten, wurde nicht wieder ausgebessert, eine außerordentliche Gleichgiltigkeit ließ die zu großen, nutzlos gewordenen Gebäude zusammenbrechen – ganz abgesehen davon, daß die neue Religion die alte verfolgte, ihre Tempel stahl und ihre Götter stürzte. Zweifellos vollendeten Verschüttungen das Unheil; denn der Boden stieg beständig, die Alluvialerde der jungen christlichen Welt bedeckte und nivellirte die alte heidnische Gesellschaft. Und nachdem man die Tempel, die Bronzedächer, die Marmorsäulen gestohlen hatte, wurden aus dem Kolosseum und dem Theater des Marcellus auch noch die Steine gestohlen, herausgerissen, die Statuen und Basreliefs mit dem Hammer zerschlagen und in den Ofen geworfen, um den Kalk für die neuen Monumente des katholischen Rom zu liefern.
    Es war beinahe ein Uhr. Pierre erwachte wie aus einem Traum. Die Sonne fiel wie ein Goldregen durch das glänzende Laub der Wintereichen. Rom war zu seinen Füßen in der großen Hitze eingeschlummert. Er entschloß sich, den Garten zu verlassen; ungeschickt, noch verfolgt von blendenden Visionen, stolperte sein Fuß über das ungleiche Pflaster der Via Triumphalis. Um den Tag zu vervollständigen, hatte er sich vorgenommen, am Nachmittag die alte Via Appia zu besichtigen. Da er nicht in die Via Giulia zurückkehren wollte, frühstückte er in einem Vorstadtwirtshaus, in einem riesigen, halbdunklen Saal, wo er ganz allein, von Fliegen umsummt, mehr als zwei Stunden in Erwartung des Sonnenunterganges verträumte.
    Ach, diese

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