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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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zurück.
    »Wir werden es sofort wissen,« sagte die Eminenz mit ihrer dicken Stimme. »Ich habe Eufemio nach Rom geschickt. Ich habe nur zu ihm Vertrauen. Da kommt der Zug, der ihn zurückbringt.«
    In der That erschien aus der riesigen Ebene ein Zug. Er war noch klein, wie ein Kinderspielzeug. Wohl um auf ihn zu lauern, hatte sich Sanguinetti auf das Balkongeländer gestützt und blieb hier stehen, die Augen auf Rom, in die Ferne gerichtet.
    Santobono sprach mit Leidenschaft ein paar Worte, die Pierre schlecht hörte; aber gleich darauf fuhr der Kardinal deutlich fort:
    »Ja, ja, mein Lieber, eine Katastrophe wäre ein großes Unglück. Ach, möge Gott uns Seine Heiligkeit noch lange bewahren!«
    Er hielt inne, und da er kein Heuchler war, ergänzte er seinen Gedanken.
    »Wenigstens möge er ihn uns in diesem Augenblick bewahren, denn es ist eine böse Zeit. Ich lebe in der schrecklichsten Angst; die Anhänger des Antichrist haben in der letzten Zeit viel Boden gewonnen.« Santobono entfuhr ein Schrei.
    »O, Eure Eminenz werden handeln, werden siegen!«
    »Ich, mein Lieber? Was soll ich denn thun? Ich stehe nur zur Verfügung meiner Freunde, jener, die einzig zum Siege des heiligen Stuhles an mich glauben werden. Diese müssen handeln; ein jeder muß nach Kräften arbeiten, um dem Bösen den Weg zu versperren, damit die Guten Erfolg haben ... Ach, wenn der Antichrist regiert –«
    Dieses sich wiederholende Wort »Antichrist« beunruhigte Pierre sehr. Mit einemmale erinnerte er sich an das, was der Graf ihm gesagt hatte: der Antichrist – das war der Kardinal Boccanera.
    »Mein Lieber, bedenken Sie das: der Antichrist im Vatikan! Er wird mit seinem unversöhnlichen Stolz, seinem eisernen Willen, seiner düstern Sucht nach dem Nichts die Zerstörung der Religion vollziehen; denn es ist kein Zweifel mehr möglich – er ist das von den Weissagungen angekündigte Tier des Todes, das in seinem wütenden Lauf zu der Finsternis des Abgrunds alles mit sich selbst zu verschlingen droht. Ich kenne ihn; er träumt nur von Beharren und Zusammenbrechen, er wird die Säulen des Tempels umfassen und sie erschüttern, um sich und den ganzen Katholizismus unter ihnen zu begraben. Kein halbes Jahr wird vergehen, und er wird von Rom verjagt, mit allen Nationen verzankt, von Italien verflucht sein und das irrende Gespenst des letzten Papstes durch die Welt schleppen.«
    Ein dumpfes Murren, ein erstickter Fluch Santobonos folgte dieser erschreckenden Voraussagung. Aber der Zug war auf dem Bahnhof angelangt, und unter den ersten aussteigenden Reisenden erkannte Pierre einen kleinen Abbé, der so schnell ging, daß ihm die Sutane um die Schenkel flog. Es war der Abbé Eufemio, der Sekretär des Kardinals. Als er diesen auf dem Balkon bemerkt hatte, ließ er alle Rücksicht gegen die Menschen fahren und begann die abschüssige Straße herabzulaufen.
    »Ah, da ist Eufemio!« rief Seine Eminenz, zitternd vor Angst. »Jetzt werden wir es endlich, endlich erfahren!«
    Der Sekretär war unter das Thor getreten und mußte so rasch die Treppe hinaufgestiegen sein, daß Pierre ihn fast gleich darauf atemlos durch den Wartesalon, in dem er sich befand, gehen und dann im Arbeitskabinet des Kardinals verschwinden sah. Dieser hatte den Balkon verlassen, um seinem Boten entgegenzugehen, aber er kehrte bald wieder unter Fragen, Ausrufungen dahin zurück. Die schlechten Nachrichten hatten einen wahren Aufruhr in ihm hervorgerufen.
    »Es ist also wahr? Die Nacht war schlecht? Seine Heiligkeit hat keinen Augenblick lang geschlafen? Kolik, hat man Ihnen erzählt? Aber in seinem Alter kann es ja nichts Schlimmeres geben ... Das kann ihn in zwei Stunden wegraffen ... Und die Aerzte, was sagen die?«
    Die Antwort drang nicht bis zu Pierre hinüber. Er verstand jedoch, als er den Kardinal fortfahren hörte:
    »O, die Aerzte, die wissen nie etwas! Uebrigens, wenn sie nicht mehr reden wollen, so heißt das, daß der Tod nicht mehr fern ist ... Gott, welches Unglück, wenn die Katastrophe nicht um einige Tage hinausgeschoben werden kann!«
    Er schwieg, und Pierre fühlte, wie seine Augen von neuem auf Rom da unten ruhten, wie er mit all seiner ehrgeizigen Angst den Dom von S. Peter, den kleinen, funkelnden Fleck inmitten der ungeheuren roten Ebene betrachtete, der kaum so groß war wie der Nagel des kleinen Fingers. Welche Unruhe, welche Aufregung, wenn der Papst tot wäre! Er hätte nur den Arm ausstrecken mögen, um die ewige Stadt, die heilige Stadt, die am

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