Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
Vom Netzwerk:
wiederkehrenden Frühling, der die vom Winter erstarrten Armen tröstet, dreimal gelesen! Aber wissen Sie auch, daß Sie voller lateinischen Wendungen sind? Ich habe in Ihrem Buche mehr als fünfzig Ausdrücke notirt, die man in den Eklogen wiederfinden würde. Ihr Buch ist reizend, wirklich reizend!«
    Da er durchaus nicht dumm war und fühlte, daß in diesem kleinen Priester eine große Intelligenz stecke, so wurde zuletzt sein Interesse wach – nicht für ihn, sondern für den Nutzen, der sich vielleicht aus ihm ziehen ließe. In seinem Ränkefieber beschäftigte er sich fortwährend damit, aus den anderen, den Kreaturen, die Gott ihm zusandte, alles zu ziehen, was sie ihm zubrachten, und was seinem Triumph nützlich sein konnte. Er wandte sich einen Augenblick von Rom ab, schaute seinem Gegenüber ins Gesicht und hörte ihm zu, indem er sich fragte, wozu er ihn wohl entweder sogleich, in der Krise, die er jetzt durchmachte, oder später, wenn er Papst sein würde, verwenden könne? Aber der Priester beging abermals den Fehler, die weltliche Herrschaft der Kirche anzugreifen und das unglückliche Wort von der neuen Religion auszusprechen.
    Der noch immer lächelnde Kardinal unterbrach ihn mit einer Geberde, ohne etwas von seiner Liebenswürdigkeit zu verlieren, obwohl sein schon längst gefaßter Entschluß fortan befestigt und entschieden war.
    »Gewiß, lieber Sohn, Sie haben in vielen Punkten recht, und ich bin oft mit Ihnen eins – o, vollkommen! ... Aber sehen Sie, Sie wissen zweifellos wohl nicht, daß ich hier der Beschützer von Lourdes bin. Wie können Sie da, nach jener Stelle über die Grotte, verlangen, daß ich mich für Sie, gegen die Väter ausspreche?«
    Diese Thatsache, die er allerdings nicht kannte, schlug Pierre zu Boden. Niemand war so vorsichtig gewesen, ihn davon zu unterrichten. In Rom hat jedes katholische Werk der Welt einen vom heiligen Vater bestimmten Kardinal zum Beschützer, der es vertreten und im Notfall verteidigen muß.
    »Die guten Väter,« fuhr Sanguinetti sanft fort, »Sie haben ihnen großen Schmerz bereitet. Wirklich, unsere Hände sind gebunden, wir können ihren Kummer nicht noch vergrößern ... Wenn Sie wüßten, wie viele Messen sie uns schicken! Ohne sie würde mehr als einer unserer armen Priester, die ich kenne, Hungers sterben.«
    Es blieb nichts übrig, als sich zu beugen. Pierre stieß abermals an diese Geldfrage, an die Notwendigkeit des heiligen Stuhles, sein Budget in guten oder schlechten Jahren zu sichern. Es war immer wieder die Knechtschaft des Papstes, den der Verlust Roms von den Regierungssorgen befreit hatte, aber die gezwungene Dankbarkeit für erhaltene Almosen dennoch an die Erde nagelte. Die Bedürfnisse waren so groß, daß das Geld regierte, die höchste Macht war, vor der alles am römischen Hofe sich beugte.
    Sanguinetti erhob sich, um den Besucher zu verabschieden.
    »Aber, lieber Sohn, verzweifeln Sie nicht,« fuhr er mit Wärme fort. »Ich habe übrigens nur meine Stimme; ich verspreche Ihnen, die ausgezeichnete Erklärung, die Sie mir gegeben haben, in Anschlag zu bringen ... Und wer weiß? Wenn Gott mit Ihnen ist, wird er Sie retten, sogar gegen unsern Willen!«
    Das war seine gewöhnliche Taktik; er hatte das Prinzip, niemals die Leute bis aufs äußerste zu treiben, indem er sie ohne Hoffnung fortschickte. Wozu diesem da sagen, daß die Verdammung seines Buches geschehene Sache sei und daß es das einzig Kluge wäre, es zu verleugnen? Nur ein Wilder, wie Boccanera, konnte noch mit der Flamme des Zornes in solche Feuerseelen blasen und sie der Rebellion zutreiben.
    »Hoffen Sie, hoffen Sie!« wiederholte er lächelnd, indem er sich den Anschein gab, eine Menge glücklicher Dinge anzudeuten, die er nicht aussprechen konnte.
    Pierre, tief gerührt, fühlte sich wie neu geboren. Er vergaß sogar das Gespräch, das er belauscht hatte, den ehrgeizigen Grimm, die dumpfe Wut gegen den gefürchteten Nebenbuhler. Und dann, konnte nicht bei den Mächtigen der Geist die Stelle des Herzens vertreten? Wenn dieser hier eines Tages Papst ward und wenn er verstanden hatte – würde er da nicht der erwartete Papst sein, der die Aufgabe auf sich nahm, die Kirche der Vereinigten Staaten von Europa, die geistige Herrin der Welt neu zu organisiren? Er dankte ihm bewegt, verbeugte sich und ließ ihn vor diesem weitoffenen Fenster, von wo Rom ihm aus der Ferne, in dem Glanz der Herbstsonne kostbar und schimmernd wie ein Kleinod, wie die Tiara aus Gold und

Weitere Kostenlose Bücher