Rom - Band II
schönen, flachen Straße dahin.
»Sie wollen also nach Rom?« hob der Graf wieder an, um den Pfarrer zum Reden zu bringen.
»Ja, ja, ich will Seiner ehrwürdigsten Eminenz, dem Kardinal Boccanera, diese paar Feigen bringen; es sind die letzten dieser Saison, die ich ihm als kleines Geschenk versprochen habe.«
Er hatte den Korb auf seine Kniee gestellt und hielt ihn, wie etwas Zerbrechliches und Seltenes, sorgfältig zwischen seinen groben, knorrigen Händen.
»Ah, die berühmten Feigen von Ihrem Feigenbaum! Es ist wahr, sie sind lauter Honig ... Aber machen Sie es sich doch bequem; Sie werden sie doch nicht bis Rom auf dem Schoß behalten. Geben Sie die Feigen her, ich werde sie in die Lederdecke stecken.«
Er wurde aufgeregt, verteidigte sie und wollte sich unbedingt nicht von ihnen trennen.
»Tausend Dank, tausend Dank ... Sie stören mich gar nicht, sie sind hier sehr gut aufgehoben; so bin ich wenigstens sicher, daß ihnen nichts widerfährt.«
Diese Leidenschaft Santobonos für die Früchte seines Gartens belustigte Prada sehr und er stieß Pierre mit dem Ellenbogen an.
»Und der Kardinal ißt Ihre Feigen gern?« fragte er abermals.
»O, Herr Graf, Seine Eminenz geruht, sie zu vergöttern. Früher, wenn Eminenz den Sommer in der Villa zubrachte, wollte er keine von einem andern Baum essen. Sie begreifen also, da ich einmal seinen Geschmack kenne, kommt es mir nicht darauf an, ihm ein Vergnügen zu machen.«
Aber er hatte einen so scharfen Blick auf Pierre geworfen, daß der Graf die Notwendigkeit empfand, sie einander vorzustellen.
»Der Herr Abbé Froment ist just im Palast Boccanera abgestiegen, wo er seit drei Monaten wohnt.«
»Ich weiß, ich weiß,« sagte Santobono ruhig, »Ich habe den Herrn Abbé bei Seiner Eminenz gesehen – an dem Tage, an dem ich ihm schon einmal zuvor Feigen brachte. Nur waren die weniger reif. Diese sind prachtvoll.«
Er warf einen wohlgefälligen Blick auf den kleinen Korb und seine ungeheuren, mit fahlen Haaren bedeckten Finger schienen ihn noch fester zu fassen. Ein Schweigen entstand, während zu beiden Seiten die Campagna sich endlos ausbreitete. Die Häuser waren seit langem verschwunden; keine Mauer, kein Baum war zu sehen, nichts als die riesigen, wellenförmigen Erhebungen, deren mageres, flaches Gras der herannahende Winter grün zu färben begann. Ein links zum Vorschein kommender Turm, eine halb zerfallene Ruine, nahm plötzlich eine seltsame Wichtigkeit an; er ragte über der flachen, unbegrenzten Linie des Horizonts gerade in den klaren Himmel. Dann zeigten sich rechts, in einem großen, mit Pfählen verschlossenen Park die fernen Silhouetten von Ochsen und Pferden; andere, noch bespannte Ochsen kehrten unter den Stichen des Treibstachels langsam von der Arbeit zurück; ein Pächter, auf einem kleinen, roten Pferde einhergaloppirend, warf einen letzten Blick auf die Arbeitsfelder. Zeitweise bevölkerte sich die Straße. Ein Biroccino, ein sehr leichter Wagen mit zwei großen Rädern und einem einfachen, über die Achse gelegten Sitz, fuhr wie der Wind vorüber. Von Zeit zu Zeit kreuzte sich die Viktoria mit einem Carrotino, dem niedrigen Karren, in dem der Bauer, von einer Art Zelt in lebhaften Farben geschützt, den Wein, das Gemüse, die Früchte der römischen Burgen nach Rom führte. Aus der Ferne hörte man die dünnen Glöckchen der Pferde, die von selbst den wohlbekannten Weg gingen, während der Bauer gewöhnlich fest schlief. Frauen mit geschürzten Röcken, mit bloßem, schwarzem Haar und scharlachroten Brusttüchern kehrten in Gruppen zu dreien und vieren heim. Dann leerte sich die Straße und unter dem runden, unendlichen Himmel, wo die schräge Sonne da unten am Ende dieses leeren, großartig und traurig einförmigen Meeres unterging, begann mehr und mehr die Wüste, ohne daß sich kilometerlang ein Mensch, ein Tier sehen ließ.
»Und der Papst, Abbé?« fragte Prada plötzlich. »Ist er tot?«
Santobono erschrak nicht einmal.
»Ich hoffe, daß Seine Heiligkeit noch viele Tage zum Siege der Kirche zu leben haben wird,« sagte er einfach.
»So haben Sie also heute morgen gute Nachrichten bei Ihrem Bischofe, dem Kardinal Sanguinetti, gehört?«
Diesmal konnte der Pfarrer ein leichtes Erzittern nicht unterdrücken. Man hatte ihn also gesehen? In seiner Eile hatte er nicht einmal diese beiden Passanten bemerkt, die hinter ihm auf der Landstraße einher kamen.
»O,« antwortete er, sich sofort fassend, »man weiß nie recht, ob die
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