Rom - Band II
Menge und senkte die Augen weder nach rechts noch nach links; er war im Himmel und wußte nicht, was zu seinen Füßen vorging. Und dieses Götzenbild, das trotz des Leuchtens der Augen, wie einbalsamirt, taub und blind aussah, das da inmitten durch diese rasende Menge getragen ward, die es weder zu hören, noch zu sehen schien, nahm eine furchtbare Majestät, eine beunruhigende Größe, die ganze Starre des Dogmas, die ganze Unbeweglichkeit der Ueberlieferung an. Man hatte es mit allen seinen Binden ausgegraben, und nur diese allein hielten es aufrecht. Trotzdem glaubte Pierre zu bemerken, daß der Papst leidend, ermüdet sei; ohne Zweifel war es jener Fieberanfall, von dem Monsignore Nani ihm tags zuvor erzählt hatte, als er den Mut, die große Seele dieses vierundachtzigjährigen Greises verherrlichte, den nur der Wille zum Leben in der Hoheit seiner Mission weiter leben ließ.
Die Zeremonie begann. Nachdem Seine Heiligkeit am Altar der Konfession von dem Tragsessel herabgestiegen war, zelebrirte er langsam, unter Assistenz von vier Prälaten und des Propräfekten der Zeremonien eine stille Messe. Beim Händewaschen gossen Monsignore der Haushofmeister und Monsignore der Kammerherr, begleitet von zwei Kardinälen, das Wasser über die erhabenen Hände des Amtirenden; kurz vor der Aufhebung traten alle Prälaten des päpstlichen Hofes, brennende Kerzen in den Händen haltend, herzu, um rings um den Altar niederzuknieen. Es war ein feierlicher Augenblick. Als während der Aushebung die silbernen Zinken den berühmten Engelschor bliesen, bei dem jedesmal Frauen in Ohnmacht fallen, erbebten die versammelten vierzigtausend Gläubigen und fühlten den furchtbaren, köstlichen Hauch des Unsichtbaren über sich streifen. Fast gleich darauf ertönte vom Dom, von der oberen Galerie, wo sich hundertundzwanzig Choristen verborgen hielten, ein ätherischer Gesang; und alles ward von Verwunderung, von Verzückung ergriffen, als ob die Engel selbst auf den Ruf der Zinken geantwortet hätten. Die Stimmen senkten sich herab und flogen leicht, wie himmlische Harfentöne unter dem Gewölbe hin; dann verhauchten sie in einem süßen Accord und stiegen mit einem leisen, verhallenden Flügelrauschen wieder zum Himmel empor. Nach der Messe stimmte Seine Heiligkeit, noch immer auf dem Altar stehend, selbst das Tedeum an, das die Sänger der Sixtinischen Kapelle und der Chor wiederholten, indem sie abwechselnd einen Vers sangen. Dann aber fiel die ganze Versammlung ein; vierzigtausend Stimmen erhoben sich, und der Friedens- und Ruhmesgesang verbreitete sich in dem ungeheuren Schiff mit einer unvergleichlichen Klangfülle. Nun war das Schauspiel wirklich außerordentlich prächtig: dieser, von dem blumengeschmückten, prächtigen, vergoldeten Baldachin Berninis überragte Altar, umgeben von dem päpstlichen Hofe, zwischen dem die brennenden Kerzen wie Sterne flimmerten; in der Mitte dieser Papst, in seinem goldenen Meßgewande wie eine Sonne strahlend; vor den Bänken Kardinäle im Purpur, Erzbischöfe und Bischöfe in violetter Seide; die Tribünen, wo die Galakostüme, die Verbrämungen des diplomatischen Corps, die Uniformen der fremden Offiziere funkelten; diese von überall, aus den fernsten Tiefen der Basilika zufließende Menge, dieses Meer von Köpfen. Und auch die maßlosen Dimensionen der Basilika waren es, die packten – diese Seitenschiffe, in denen sich eine ganze Pfarrgemeinde stauen konnte, diese Querschiffe, die so groß wie die Kirchen einer volkreichen Stadt waren, dieser Tempel, den Tausende und Tausende von Gläubigen kaum füllten. Selbst der Gesang dieses Volkes wurde gewaltig und stieg wie ein riesiger Sturmwind zu den Marmorgräbern, zu den übermenschlichen Statuen, zu den gigantischen Säulen, zu dem ungeheuren steinernen Himmel des Gewölbes, zu dem Firmament der Kuppel empor, wo sich in dem Goldglanz der Mosaiken die Unendlichkeit aufthat.
Nach dem Tedeum, während Leo XIII. die Tiara an Stelle der Mitra aufsetzte, das Meßgewand gegen den päpstlichen Chormantel vertauschte und seinen Thron auf der am Eingang des rechten Querschiffes befindlichen Estrade bestieg, entstand ein langandauernder Lärm. Von diesem Throne aus beherrschte er die ganze Versammlung. Und was für ein Schauer, gleichsam wie von einem Hauch des Unsichtbaren überlief sie, als er sich nach den Gebeten des Rituals erhob! Unter der dreifachen symbolischen Krone, in dem goldumsäumten Mantel schien er größer geworden zu sein. Inmitten
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