Rom - Band II
gleichsam von einer allzu starten Flamme verzehrt, von einem leuchtenden Staub überflutet, in dem er unterging. Die gesamte Stadt hob sich in großen Massen von Licht und Schatten mit plötzlichen Unterbrechungen scharf von dieser entfärbten Ferne ab. Man hätte sie für einen sehr alten, verlassenen Steinbruch halten können, auf den die Sonne senkrecht herabschien, und wo nur da und dort eine Bauminsel einen dunkelgrünen Fleck bildete. Von der antiken Stadt sah er den rötlichen Turm des Kapitols, die schwarzen Treppen des Palatins, die Ruinen des Palastes des Septimius Severus, welche gebleichten Knochen, dem Gerippe eines von der Flut hierher getragenen fossilen Ungeheuers glichen. Gegenüber thronte die moderne Stadt mit den lang, hingestreckten, neu hergestellten Gebäuden des Quirinals, deren frischer, grellgelber Anstrich wunderlich zwischen den kräftigen Wipfeln des Gartens hindurch leuchtete; jenseits, auf den Höhen des Viminals, rechts und links lagen die gipsweißen neuen Viertel, eine Kreidestadt, die von den tausend kleinen Tintenstrichen der Fenster durchquert wurde. Dann lagen da und dort der Pincio, wie eine stehende Pfütze, die Villa Medici mit ihrem doppelten Campanile, die rostfarbene Engelsburg, der gleich einer Kerze brennende Glockenturm von S. Maria Maggiore, die drei unter den Baumzweigen schlummernden Kirchen des Aventin, der Palast Farnese mit seinen von den Sommersonnen verbrannten, altgoldenen Dächern, die Dome des Il Gesu, von S. Andrea della Valle, von S. Giovanni de Fiorentini und dann alle die anderen Dome – alle weißglühend, wie geschmolzen in dem feurigen Ofen des Himmels. Und da fühlte Pierre, wie sich abermals sein Herz beim Anblick dieses heftigen, harten Roms zusammenkrampfte, das so wenig dem Rom seines Traumes, dem Rom der Verjüngung und Hoffnung glich, das er am ersten Morgen zu finden meinte. Es verschwand jetzt, um der hartnäckigen, bis zum Tode unveränderlichen Stadt des Stolzes und der Herrschsucht Platz zu machen.
Mit einemmale begriff Pierre alles. Wie ein Lichtstrahl traf es ihn da oben, wo er sich ganz allein in dem freien, unbegrenzten Raum befand. Kam das von der Zeremonie, der er eben beigewohnt hatte, von dem fanatischen Ruf der Sklaverei, der noch in seinen Ohren brauste? War es nicht eher der Anblick dieser Stadt, die da zu seinen Füßen lag, wie eine einbalsamirte Königin, die aus dem Staub ihres Grabes hervor noch immer regiert? Er hätte es nicht zu sagen vermocht; zweifellos wirkten beide Ursachen auf ihn. Aber er sah vollständig klar; er fühlte, daß der Katholizismus ohne die weltliche Herrschaft nicht bestehen könne, daß er an dem Tage, da er nicht mehr Herr auf dieser Erde sein würde, völlig verschwinden müsse. Der Atavismus war vor allem daran schuld, die Kraft der Geschichte, die lange Reihenfolge der Erben der Cäsaren, der Päpste, der Pontifexe, in deren Adern noch immer das Blut des Augustus floß und die Herrschaft der Welt forderte. Wenn sie auch im Vatikan wohnten, so kamen sie doch aus den Kaiserhäusern auf dem Palatin, aus dem Paläste des Septimius Severus, und ihre Politik hatte während so vieler Jahrhunderte nie einen andern Traum verfolgt, als den von der römischen Herrschaft, von den besiegten, Rom unterworfenen und gehorchenden Völkern. Ohne dieses Weltreich, ohne den vollständigen Besitz der Körper und der Seelen verlor der Katholizismus seine Daseinsberechtigung; denn die Kirche kann die Existenz eines Kaiser- oder Königreiches nur politisch anerkennen. Der Kaiser oder der König sind nur einfache, einstweilige Abgesandte, die die Völker verwalten sollen, bis sie sie ihr zurückgeben. Alle Nationen, die Menschheit mit der gesamten Erde gehören der Kirche, die sie von Gott erhalten hat. Wenn sie auch heute nicht in ihrem wirklichen Besitz ist, so gibt sie der Gewalt nach, muß sie die vollzogenen Thatsachen hinnehmen; aber sie thut es unter dem förmlichen Vorbehalt, daß es eine strafbare Aneignung ist, daß man ihr ihr Gut ungerecht vorenthält; sie thut es in Erwartung der Verwirklichung der Verheißungen Christi, der ihr am bestimmten Tage die Erde und die Menschen, die Allmacht für ewig wieder geben wird. Das ist die wahre Zukunftsstadt, das katholische, zum zweitenmale herrschende Rom. Rom gehört zum Traum, Rom ist auch die Ewigkeit geweissagt worden, und der Boden Roms selbst war es, der dem Katholizismus den unauslöschlichen Durst nach unumschränkter Macht eingeflößt hat. Das Schicksal des
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