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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Himmels zu regieren; daher wendeten sie alle möglichen Listen an, lebten inmitten des Kampfes der menschlichen Gelüste von Vergleichen, und gingen mit leisen Diplomatenschritten dem irdischen, endgiltigen Siege Christi zu, der eines Tages in der Person des Papstes über den Völkern thronen sollte. Was für eine Verblüffung mußte das für einen französischen Prälaten, für einen Monsignore Bergerot, diesen heiligen Bischof der Entsagung und Nächstenliebe, sein, wenn er in diesen Vatikan geriet! Wie schwer mußte es ihm anfangs sein, zu verstehen, sich einzurichten – wie schmerzlich dann die Unmöglichkeit, sich mit diesen Vaterlandslosen, diesen Internationalen zu verständigen, die stets über die Karte beider Welten gebeugt, stets in Berechnungen vertieft waren, die ihnen das Reich sichern sollten! Dazu waren Tage und Wochen notwendig, mußte man in Rom selbst leben; erst nach einem vollen Monat war ihm plötzlich ein Licht aufgegangen – erst durch die heftige Erschütterung, die der königliche Pomp in St. Peter in ihm bewirkt hatte, erst angesichts der antiken Stadt, die da in der Sonne ihren schweren Schlaf schlummerte, ihren Ewigkeitstraum träumte.
    Aber sein Blick fiel auf den Platz da unten vor der Basilika, und er bemerkte die Menschenflut, die vierzigtausend Gläubigen, die sich wie das schwarze Gewimmel einbrechender Insekten auf das weiße Pflaster ergossen. Es schien ihm, daß sich von neuem der Ruf erhob: »Evviva il papa re! Evviva il papa re! Hoch der Papst-König! Hoch der Papst-König!« Eben vorhin, während er die endlosen Treppen hinanstieg, war es ihm gewesen, als erzittere der Steinkoloß durch den unter seinem Gewölbe erschallenden, rasenden Schrei; und jetzt, wo er fast bis in die Wolken gestiegen war, meinte er, ihn auch da oben im freien Räume wiederzufinden. War das fortdauernde Beben des Kolosses unter ihm nicht ein letztes Treiben des Saftes in seinen alten Mauern, eine Erneuerung des katholischen Blutes, das ihn einst so maßlos zum Könige aller Tempel geschaffen, und das nun heute, in der Stunde, da der Tod für seine allzu großen und einsamen Schiffe kam, ihm einen mächtigen Odem des Lebens einzuhauchen suchte? Die Menge ergoß sich noch immer aus den Thoren und erfüllte den Platz; eine furchtbare Traurigkeit preßte ihm das Herz zusammen, denn dieser Ruf hatte seine letzte Hoffnung hinweggefegt. Noch tags zuvor, nach dem Empfange des Pilgerzuges in der Sala dei Beatificazione hatte er sich einer Täuschung hingeben können, indem er die Notwendigkeit des Geldes, die den Papst an die Erde nagelte, vergaß, um nichts zu sehen als diesen schwächlichen, gleich dem Symbol der moralischen Macht strahlenden Greis. Aber jetzt war es aus mit seinem Glauben an diesen von allen irdischen Gütern befreiten Hirten des Evangeliums, der nur König des himmlischen Reiches wäre. Nicht bloß das Geld des Peterpfennigs legte Leo XIII. eine harte Sklaverei auf; nein, er war auch außerdem der Gefangene der Ueberlieferung, der ewige König von Rom, der an diesen Boden gefesselt war, der die Stadt weder verlassen noch auf die weltliche Macht verzichten konnte. Und das Ende davon war der Tod an Ort und Stelle; der Dom von St. Peter würde ebenso zusammenbrechen, wie der Tempel des Jupiter Capitolinus zusammengebrochen war; auf den Ruinen des Katholizismus würde das Gras wachsen, während das Schisma anderswo aufleuchtete, ein neuer Glaube für die neuen Völker. Diese großartige und tragische Vision stieg vor ihm auf; er sah seinen Traum zerstört; er fühlte, wie sein Buch von dem Schrei mitgerissen wurde, der sich immer mehr und mehr ausbreitete, als wollte er in alle vier Winkel der katholischen Welt fliegen: » Evviva il papa re! Evviva il papa re! Hoch der Papst-König! Hoch der Papst-König!« Und er glaubte bereits zu fühlen, wie der Riese aus Marmor und Gold in dem Wanken der alten, verfaulten Gesellschaft unter ihm schwankte.
    Endlich stieg Pierre wieder hinab. Noch eine Gemütsbewegung stand ihm bevor, da er auf den Dächern der Schiffe, auf dieser sonnenbeschienenen Fläche, die so groß ist, daß man eine Stadt darauf unterbringen kann, Monsignore Nani begegnete. Der Prälat begleitete die beiden französischen Damen, Mutter und Tochter, die sehr glücklich und angeregt aussahen; zweifellos hatte er sich liebenswürdig erboten, mit ihnen auf den Dom zu steigen. Kaum erkannte er jedoch den jungen Priester, so hielt er ihn an.
    »Nun, mein lieber Sohn, sind Sie zufrieden?

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