Rom - Band II
starken Kinn, Mund und Nase von vollkommener Regelmäßigkeit, großen Kuhaugen und einem leuchtenden, wie von der Sonne vergoldeten Gesicht unter einer Krone schwerer, schwarzer Haare.
»Willst Du uns also führen?« fragte Benedetta vertraulich und lächelnd. Der Gedanke, daß es solche Geschöpfe geben könne, hatte sie bereits über die Häßlichkeit der Umgebung getröstet.
»O ja, Signora, sofort!«
Und sie lief vor ihnen her. Sie trug große Schuhe an den Füßen und ein altes braunes Wollkleid, das sie wohl kürzlich gewaschen und gestopft haben mußte. Man merkte ihr eine gewisse kokette Sorgfalt, ein Reinlichkeitsbedürfnis an, das die anderen nicht besaßen; es wäre denn, daß das einfach die Wirkung ihrer großen Schönheit war, die aus ihren armseligen Kleidern strahlte und eine Göttin aus ihr machte.
»Che bellezza! Che bellezza!« wiederholte die Contessina unermüdlich, indem sie ihr folgte. »Mein Dario, der Anblick dieses Mädchens ist ein Fest.«
»Ich wußte, daß sie Dir gefallen würde,« antwortete er einfach. Sein Fund schmeichelte ihm, und er sprach nicht mehr vom Fortgehen, da er endlich seine Augen auf etwas Angenehmem ausruhen lassen konnte.
Hinter ihnen ging der ebenfalls verwunderte Pierre, dem Narcisse, dessen Geschmack für das Seltene und Gekünstelte war, seine Einwände mitteilte.
»Gewiß, gewiß, sie ist schön ... Aber, mein Lieber, eigentlich gibt es nichts Plumperes, Seelenloseres als diesen römischen Typus ... Hinter ihrer Haut ist nichts als Blut, nichts Himmlisches, nichts vom Jenseits.«
Aber Pierina stand nun still und zeigte mit einer Geberde ihre Mutter, die vor dem hohen Thor eines unvollendeten Palastes auf einer halb zerbrochenen Kiste saß. Auch sie mußte sehr schön gewesen sein, aber nun mit vierzig Jahren war sie bereits zu Grunde gerichtet; die Augen waren durch das Elend erloschen, der Mund mit den schwarzen Zähnen war entstellt, das Gesicht von tiefen, schlaffen Runzeln durchfurcht, der Hals ungeheuer breit und herabhängend. Dabei war sie furchtbar schmutzig; ihre ungekämmten, ergrauenden Haare flatterten in wirren Strähnen herum; ihr Rock und ihre Jacke waren besudelt, zerrissen und ließen den Schmutz der Glieder sehen. Mit beiden Händen hielt sie einen schlafenden Säugling, ihren Jüngstgeborenen, auf den Knieen. Sie sah ihn wie zerschmettert und mutlos an, mit der Miene eines in sein Schicksal ergebenen Lasttieres – eine Mutter, die Kinder geboren und genährt hat, ohne zu wissen warum.
»Ah, schön, schön!« sagte sie, indem sie den Kopf hob. »Das ist ja der Herr, der mir einen Thaler gab, weil er Dich traf, wie Du gerade weintest. Jetzt kommt er nun mit seinen Freunden zu uns. Schön, schön, es gibt also doch gute Herzen.«
Sie erzählte ihnen nun ihre Geschichte; aber sie that es schlaff, bemühte sich nicht einmal, sie mitleidig zu stimmen. Sie hieß Giacinta und hatte einen Maurer, Tomaso Gozzo, geheiratet, von dem sie sieben Kinder hatte. Pierina, dann Tito, einen achtzehnjährigen Jungen, und dann noch vier Mädchen, immer zwei Jahre aus einander, und zuletzt dieses, das sie auf den Knieen hielt, wieder einen Knaben. Sie hatten sehr lange in einer und derselben Wohnung in Trastevere, in einem alten Hause gewohnt, das eben niedergerissen worden war. Aber es schien, daß man zur selben Zeit auch ihre Existenz niedergerissen hatte, denn seitdem sie sich hierher auf die Prati del Castello zurückgezogen hatten, traf sie ein Unglück nach dem andern: zuerst die schreckliche Baukrise, derentwegen Tomaso und sein Sohn Tito feiern mußten, und nun die Schließung der Wachsperlenfabrik, wo Pierina bis zwanzig Centesimi verdiente, gerade genug, um nicht Hungers zu sterben. Jetzt arbeitete niemand mehr; die ganze Familie lebte vom Zufall.
»Vielleicht wollen die Herrschaften hinaufgehen? Oben treffen Sie Tomaso mit seinem Bruder Ambrogio, den wir zu uns genommen haben; sie werden besser mit Ihnen sprechen können und Ihnen alles erzählen, was zu erzählen ist ... Was soll man machen? Tomaso ruht sich aus; er macht es wie der Tito: er schläft, da er nichts Besseres zu thun hat.«
Sie deutete mit der Hand auf einen großen Jungen, der im trockenen Gras ausgestreckt lag. Er besaß eine starke Nase und einen harten Mund, aber die wunderbaren Augen Pierinas. Die fremden Leute schienen ihn zu beunruhigen, er hob bloß den Kopf. Als er bemerkte, mit welchen entzückten Blicken seine Schwester den Fürsten betrachtete, furchte eine zornige
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