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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Falte seine Stirn. Er ließ den Kopf wieder zurücksinken, schloß aber die Lider nicht, sondern sah lauernd hinüber.
    »Pierina, führe also die Herrschaften hinauf, da sie es sich ansehen wollen.«
    Einige andere Frauen, deren nackte Füße in niedergetretenen Schlappschuhen steckten, schlurften näher heran; Banden von Kindern, von halb bekleideten kleinen Mädchen wimmelten umher, unter denen sich zweifellos die vier Giacintas befanden. Alle waren sich mit ihren schwarzen Haaren unter dem zerzausten Schopf so ähnlich, daß nur die Mütter sie erkennen konnten; es war gleichsam ein Ueberhandnehmen, ein Lagern des Elends mitten in der Sonne, inmitten dieser majestätischen Unglücksstraße, die von unvollendeten und bereits in Ruinen zerfallenen Palästen begrenzt wurde.
    »Nein, Du gehst nicht mit hinauf,« sagte Benedetta leise, mit zärtlichem Lächeln zu ihrem Vetter. »Ich will Dich ja nicht umbringen, mein Dario ... Es war liebenswürdig genug von Dir, bis hierher zu kommen; da der Herr Abbé und Herr Hubert mich begleiten, kannst Du mich hier draußen in dieser schönen Sonne erwarten.«
    Er begann ebenfalls zu lachen und willigte sehr gerne ein; dann zündete er sich eine Cigarrette an und ging, von der milden Luft befriedigt, mit kleinen Schritten auf und ab.
    Pierina war rasch unter das große Thor getreten. Es besaß ein hohes, mit rosettenartigen Deckenfeldern geschmücktes Gewölbe, aber in der Vorhalle bedeckte ein wahres Mistbett die Marmorfliesen, die man bereits zu legen begonnen hatte. Dann kam die monumentale Steintreppe mit dem durchbrochenen und gemeißelten Geländer; die Stufen waren bereits zerbrochen und mit einer so dicken Schmutzschicht besudelt, daß sie davon ganz schwarz aussahen. Ueberall hatten die Hände fettige Spuren zurückgelassen. Etwas wahrhaft Schimpfliches ging von den Mauern aus, die noch im Rohzustande dastanden und auf die Malereien und Vergoldungen warteten, die sie hätten schmücken sollen.
    Pierina blieb im ersten Stockwerk aus dem riesigen Treppenabsatz stehen und rief bloß durch die Oeffnung einer großen, gähnenden Thür ohne Thürgestelle oder Thürrahmen:
    »Vater, eine Dame und zwei Herren wollen Dich sprechen.«
    Dann wandte sie sich zur Contessina.
    »Ganz zuletzt, im dritten Saal.«
    Nun lief sie davon und rannte viel rascher, als sie gekommen war, die Treppe wieder hinab, zu dem Gegenstande ihrer Leidenschaft zurück.
    Benedetta und ihre Begleiter durchschritten zwei ungeheure Säle; auf dem Boden bildete der Gipsschutt Hügel, die Fenster standen weit offen. Endlich gerieten sie in einen kleineren Saal, in dem sich die ganze Familie Gozzo mit dem Gerümpel, das ihnen als Möbel diente, niedergelassen hatte. Auf der Erde, auf den unbedeckten eisernen Traversen lagen fünf oder sechs schmutzige, vom Schweiß zerfressene Strohsäcke. In der Mitte stand ein langer, noch fester Tisch; auch ein Paar alte, mit Hilfe von Stricken geflickte Strohsessel waren vorhanden. Die größte Arbeit hatte jedoch darin bestanden, daß man zwei von den drei Fenstern mit Brettern verschlossen hatte, wahrend vor dem dritten und der Thür eine alte, durchlöcherte und stockige Matratzenleinwand hing.
    Tomaso, der Maurer, schien überrascht zu sein; augenscheinlich war er an solche mildthätige Besuche nicht gewöhnt. Er saß vor dem Tisch, hatte beide Ellenbogen auf den Tisch, das Kinn in die Hand gestützt und war im Begriffe, sich auszuruhen, wie seine Frau Giacinta gesagt hatte. Er war ein starker Mann von fünfundvierzig Jahren mit reichem Bart und Haar, einem großen, langen Gesicht und besaß in seinem Elend und seinem Müßiggange die Ruhe eines römischen Senators. Der Anblick der beiden Herren, in denen er sofort Fremde witterte, bewog ihn, sich rasch mit einer mißtrauischen Bewegung zu erheben. Aber sobald er Benedetta erkannte, lächelte er, und als sie, indem sie ihm den Zweck ihres Kommens erklärte, von Dario sprach, der unten geblieben sei, antwortete er:
    »O, ich weiß, ich weiß, Contessina ... Ja, ich weiß sehr gut, wer Sie sind, denn ich habe zu Lebzeiten meines Vaters einmal im Palazzo Boccanera ein Fenster zugemauert.«
    Nun ließ er sich gefällig ausfragen. Er antwortete dem überraschten Pierre, daß wohl kein großes Glück herrsche, aber daß es sich wohl leben ließe, wenn man nur zwei Tage in der Woche arbeiten könnte. Man merkte, daß er sich den Bauch eigentlich ganz gern fester zuschnürte, sobald er nur nach seinem Gefallen, ohne Mühe leben

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