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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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in welchen entlegenen Städten lebten sie? Wenn in den ersten Tagen nach der Eroberung nur große patriotische Begeisterung auf eine solche Bevölkerung hoffen konnte, so gehörte heutigentags eine seltsame Verblendung dazu, um überhaupt noch an ihr Kommen zu glauben. Das Experiment schien gemacht zu sein, Rom stand stille, es lagen gar keine Ursachen vor, welche die Einwohnerzahl hätten verdoppeln können: weder in den Vergnügungen, die es bot, noch in den Gewinnsten eines Handels oder einer Industrie, die es nicht besaß, noch in einem regen sozialen und geistigen Leben, dessen es nicht mehr fähig zu sein schien. Auf jeden Fall würden dazu lange Jahre unerläßlich sein. Wie also sollte man die fertigen, leeren Häuser bevölkern, die nur noch auf die Inwohner warteten? Für wen sollten die im Skelettzustande gebliebenen Häuser, die im Sonnenbrände und im Regen zerfielen, beendet werden? Würden sie also, teils fleischlos und allen Winden ausgesetzt, teils verschlossen, stumm wie Gräber, bis in unabsehbare Zeit in ihrer kläglichen, nutzlosen und verlassenen Häßlichkeit stehen bleiben? Welch schreckliches Zeugnis legten sie unter dem herrlichen Himmel ab! Die neuen Herren von Rom hatten es schlecht angefangen; aber wenn sie jetzt wußten, wie sie es hätten machen sollen, würden sie es je wagen, das Gethane zu zerstören? Da die Milliarde, die hier hineingesteckt wurde, endgiltig verpfuscht und verloren zu sein schien, begann man einen Nero von unumschränkter und maßloser Energie herbeizuwünschen, der Fackel und Haue ergreifen und im Namen der rächenden Vernunft und Schönheit alles verbrennen, alles Weisen würde.
    »O,« fuhr Narcisse fort, »da sind die Contessina und der Fürst.«
    Benedetta hatte den Wagen an einer Kreuzung der einsamen Straßen halten lassen; und nun schritt sie am Arme Darios durch diese breiten, stillen, unkrautbewachsenen Gassen, die für Liebende wie geschaffen sind. Beide waren über den Spaziergang entzückt und dachten nicht mehr an all das Traurige, um derentwillen sie kamen.
    »O, was für ein schönes Wetter!« sagte sie heiter, als sie mit den zwei Freunden zusammentraf.
    »Sehen Sie nur die schöne Sonne! ... Und es thut einem so wohl, ein bißchen zu Fuß zu gehen wie auf dem Lande!«
    Dario war der erste, der aufhörte, sich an dem blauen Himmel, an der Freude, seine Base am Arme zu führen, zu ergötzen.
    »Meine Liebe, da Du aus dieser Laune beharrst die uns sicherlich den schönen Tag verderben wird, müssen wir nun diese Leute aufsuchen ... Aber erst muß ich mich zurechtfinden. Ihr wißt, ich kenne mich in Gegenden, in die ich nicht gerne gehe, nicht gut aus ... Und dann ist dieses Viertel mit diesen toten Straßen, diesen toten Häusern zu albern; man sieht nicht eine Figur, an die man sich erinnert, nicht einen Laden, der einen wieder auf den richtigen Weg führt... Aber ich glaube, daß es hier ist. Geht mir nur nach, wir werden es ja wohl sehen.«
    Und die vier Spaziergänger wendeten sich dem mittleren, auf den Tiber hinausgehenden Teile des Viertels zu. Hier hatte sich bereits eine Bevölkerung zu bilden begonnen. Die Besitzer einiger fertigen Häuser schlugen daraus Nutzen, so viel sie konnten, vermieteten die Wohnungen zu sehr niedrigem Preise und erzürnten sich nicht, wenn die Miete auf sich warten ließ. Daher hatten sich bedürftige Beamte und sonstige arme Familien hier niedergelassen, die langsam, aber doch immer etwas bezahlten. Das Schlimmste jedoch war, daß infolge der Niederreißung des ehemaligen Ghettos und infolge der Durchbrüche, mit denen man in Trastevere Luft geschafft hatte, wahre Horden von brotlosen, heimatlosen, beinahe unbekleideten Menschen über die unvollendeten Häuser hergefallen und mit ihrem Leid und ihrem Ungeziefer in sie eingedrungen waren. Aber man hatte die Augen schließen und diese gewaltsame Besitzergreifung dulden müssen, wenn man nicht dieses ganze entsetzliche Elend auf offener Straße zur Schau stehen lassen wollte. Diesen schrecklichen Gästen also waren die großen geträumten Paläste, diese gewaltigen, vier- und fünfstöckigen Häuser mit monumentalen, von hohen Statuen geschmückten Bauten anheimgefallen, über deren Fassaden sich von einem Ende zum andern gemeißelte, von Karyatiden getragene Ballone hinzogen. Ueberall fehlte das Holzwerk der Thüren und Fenster; jede dieser unglücklichen Familien hatte ihre Wahl getroffen, bewohnte entweder ein ganzes fürstliches Stockwerk oder zog kleinere Zimmer

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