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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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sie gedrückt, als wolle sie die Angst ihres Herzens in diesen Druck legen; und sie war sehr glücklich, als sie fühlte, daß er ihn schwach erwiderte. »Sag, siehst Du mich, hörst Du mich? ... Was ist geschehen? Großer Gott!«
    Aber er antwortete nicht, sondern schien durch die Anwesenheit Pierres unruhig zu werden. Als er ihn erkannt hatte, schien er sich in sie zu fügen und forschte mit furchtsamen Blicken, ob niemand anderer im Zimmer sei. Zuletzt murmelte er:
    »Niemand hat gesehen, niemand weiß ...«
    »Nein, nein, beruhige Dich. Wir haben Dich mit Viktorine herauf getragen, ohne einer menschlichen Seele zu begegnen. Die Tante ist ausgegangen, der Oheim hat sich in sein Zimmer eingeschlossen.«
    Nun schien er sich erleichtert zu fühlen und lächelte.
    »Ich will nicht, daß jemand davon erfährt; es ist so dumm!«
    »Gott, was ist denn geschehen?« fragte sie abermals.
    »Ach, ich weiß nicht, ich weiß nicht –«
    Er senkte mit müder Miene die Lider, indem er sich bemühte, der Frage zu entgehen. Dann mußte er wohl begreifen, daß es besser wäre, gleich einen Teil der Wahrheit zu sagen.
    »Ein Mann – der sich im Zwielicht unter dem dunklen Thor versteckt und wohl auf mich gewartet hatte ... Gewiß, und dann, als ich heimkam, stieß er mir sein Messer da hinein, in die Schulter.«
    Bebend beugte sie sich noch mehr herab und schaute ihm tief in die Augen, indem sie fragte:
    »Aber wer war es, wer war dieser Mann?«
    Als er dann mit immer matterer Stimme stammelte, daß er es nicht wisse, daß der Mann im Dunkel entflohen sei, ohne daß er ihn erkennen konnte, stieß sie einen schrecklichen Schrei aus.
    »Es ist Prada, es ist Prada! Sag es, ich weiß es ja!«
    Sie raste.
    »Ich weiß es, hörst Du! Ich bin nicht sein gewesen, er will nicht, daß wir einander angehören sollen, lieber tötet er Dich an dem Tage, an dem ich mich Dir werde geben dürfen. Ich kenne ihn wohl, nie werde ich glücklich sein ... Es ist Prada, es ist Prada!«
    Aber eine plötzliche Energie hatte den Verwundeten belebt; er protestirte rechtschaffen.
    »Nein, nein, es ist nicht Prada, und auch keiner, der für ihn arbeitet ... das schwöre ich Dir. Ich habe den Mann nicht erkannt, aber Prada ist es nicht, nein, nein.«
    Darios Worte hatten einen solchen Ton der Wahrheit, daß Benedetta davon überzeugt werden mußte. Außerdem wurde sie wieder vom Entsetzen erfaßt, denn sie fühlte, daß die Hand, die sie in der ihren hielt, schlaff, feucht und wieder leblos wurde, als erstarre sie. Erschöpft von der eben gemachten Anstrengung war er abermals in Ohnmacht gefallen; sein Gesicht war wieder ganz weiß, die Augen hatten sich geschlossen. Er schien zu sterben.
    Entsetzt betastete sie ihn mit den Händen.
    »Herr Abbé, sehen Sie doch, sehen Sie doch ... Er stirbt ja! Er stirbt ja! Er ist ja schon ganz kalt ... O, großer Gott, er stirbt!«
    Pierre, den sie mit ihrem Schreien ganz außer sich brachte, bemühte sich, sie zu beruhigen.
    »Er hat zu viel gesprochen, er hat das Bewußtsein verloren, so wie vorhin ... Ich versichere Sie, ich fühle sein Herz klopfen, da legen Sie Ihre Hand hin ... Um Gottes willen regen Sie sich nicht so auf; der Arzt wird kommen, und alles wird gut werden.«
    Aber sie hörte ihm nicht zu und er wohnte nun einer seltsamen Scene bei, die ihn mit Erstaunen erfüllte. Plötzlich hatte sie sich über den Körper des angebeteten Mannes geworfen, preßte ihn wie rasend an sich, badete ihn mit ihren Thränen und bedeckte ihn mit Küssen, indem sie flammende Worte stammelte:
    »Ach, wenn ich Dich verlöre, wenn ich Dich verlöre ... Und ich habe mich Dir nicht gegeben; ich war so dumm, mich Dir zu verweigern, da wir noch das Glück kennen lernen konnten ... Ja, wegen der Madonna, in der Idee, daß die Jungfräulichkeit ihr gefällt und daß man sich dem Gatten rein erhalten muß, wenn man will, daß sie die Ehe segnet! Was hätte es ihr geschadet, wenn wir gleich glücklich geworden wären? Und dann, dann – siehst Du, wenn sie mich betrogen hätte, wenn sie Dich fortnähme, ehe wir einander in den Armen geruht – nun, dann würde ich nur eines bereuen: daß ich nicht mit Dir unselig geworden bin! Ja, ja, lieber die Verdammnis, als einander nicht besessen haben – mit unserem Blut, mit unseren Lippen!«
    War das die so ruhige, die so vernünftige Frau, die sich geduldete, um ihr Glück besser zu errichten? Pierre, ganz entsetzt, erkannte sie nicht mehr. So oft er sie bisher gesehen hatte, war sie von solcher

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