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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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einige Schritte zu machen, um hier niederzusinken. Er war eben ohnmächtig geworden und lag mit sehr bleichem Gesicht, zusammengepreßten Lippen und geschlossenen Augen da. Benedetta, die im Uebermaße des Schmerzes die Energie ihrer Rasse wieder fand, klagte und schrie nicht mehr, sondern betrachtete ihn verständnislos mit ihren großen, trockenen, weit geöffneten, wahnsinnigen Augen. Das Schrecklichste dabei war das Blitzähnliche der Katastrophe, das Unvorhergesehene, das Unerklärliche, das Warum und Wieso dieses Mordes inmitten der finstern Stille des einsamen, von dem Dunkel der Nacht erfüllten, alten Palastes. Die Wunde mußte wohl nur sehr wenig bluten, denn nur die Kleider waren blutbefleckt.
    »Rasch, rasch,« wiederholte Viktorine halblaut, nachdem sie die Lampe gesenkt und mit ihr umhergeleuchtet hatte, um Umschau zu halten. »Der Portier ist nicht da; er steckt immer bei dem Schreiner daneben, um mit der Frau zu lachen; Sie sehen, er hat noch nicht die Laterne angezündet, aber er kann zurückkommen ... Der Herr Abbé und ich werden den Fürsten rasch in sein Zimmer hinauftragen.«
    Nur diese Frau mit dem schönen Gleichgewicht und der ruhigen Thatkraft behielt jetzt ihren Kopf oben. Die beiden anderen in ihrer Betäubung, die nicht weichen wollte, hörten zu, ohne ein Wort zu finden, und gehorchten ihr wie folgsame Kinder.
    »Contessina, Sie müssen uns leuchten. Da nehmen Sie die Lampe und senken Sie sie ein bißchen, damit man die Stufen sieht. Sie, Herr Abbé, nehmen die Füße, ich werde ihn unter die Arme fassen. Und haben Sie keine Angst, das arme liebe Herz ist nicht so schwer.«
    Ach, dieser Aufstieg über die monumentale Treppe mit den niedrigen Stufen, mit den Treppenabsätzen, die so groß waren wie Fechtböden! Der grausame Transport wurde dadurch erleichtert, aber wie düster nahm sich der Zug in dem schwachen, flackernden Licht der Lampe aus, die Benedettas, nur von der Willenskraft steif ausgestreckter Arm hielt! Und kein Geräusch, kein Hauch in dem alten, toten Hause, wo nichts zu hören war als das Abbröckeln der Mauern, die allmähliche Zerstörungsarbeit, die die Decken vollends bersten ließ. Viktorine fuhr fort, im Flüstertone ihre Anweisungen zu geben, während Pierre, aus Furcht, auf dem glänzenden Stein auszugleiten, eine übertriebene Kraftanstrengung entfaltete, die ihn atemlos machte. Große Schatten tanzten toll längs der großen Flächen der kahlen Mauern bis hinauf zu dem hohen, mit Deckenfeldern geschmückten Gewölbe. So endlos erschien das Stockwerk, daß sie Halt machen mußten. Dann wurde der langsame Marsch wieder fortgesetzt.
    Glücklicherweise befanden sich die aus drei Räumen, einem Zimmer, einem Ankleidekabinet und einem Salon bestehenden Gemächer Darios im ersten Stock neben denen des Kardinals, in dem auf den Tiber hinausgehenden Flügel. Sie brauchten nur, das Geräusch ihrer Schritte dämpfend, durch den Korridor gehen und konnten endlich erleichtert den Verwundeten auf sein Bett niederlegen.
    Viktorine lachte vor Befriedigung leicht auf.
    »So, geschehen ... Stellen Sie doch die Lampe weg, Contessina. Da, hierher, auf diesen Tisch ... Ich stehe Ihnen gut dafür, daß niemand uns gehört hat; es ist ein wahres Glück, daß Donna Serafina ausgegangen ist, und daß Seine Eminenz Don Vigilio bei geschlossenen Thüren bei sich hat ... Ich hatte ihm die Schultern mit meinem Rock eingewickelt, es hat also kein Blutstropfen zu Boden fallen können; außerdem werde ich gleich selbst mit dem Schwamm unten mal drüber fahren.«
    Sie hielt inne, sah Dario an und setzte dann rasch hinzu:
    »Er atmet ... Gebt also beide auf ihn acht; ich laufe zu dem guten Doktor Giordano, der Sie zur Welt kommen sah, Contessina, und ein vertrauenswürdiger Mann ist.«
    Als Benedetta und Pierre mit dem ohnmächtigen Verwundeten in diesem halbdunklen Zimmer allein waren, durch das jetzt der ganze auf ihnen lastende, schreckliche Alpdruck zu schauern schien, blieben sie zu beiden Seiten des Bettes stehen, ohne ein Wort zu finden. Sie hatte in dem Bedürfnis, die Spannung ihres Schmerzes zu vermindern und ihm Luft zu machen, die Arme ausgebreitet und rang nun mit einem dumpfen Stöhnen die Hände. Dann beugte sie sich herab und spähte in diesem blassen Gesichte mit den geschlossenen Augen nach Leben. In der That, er atmete, aber sehr langsam, kaum hörbar; dennoch stieg eine schwache Röte in seine Wangen und zuletzt öffnete er die Augen. Sie hatte sofort seine Hand ergriffen und

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