Rom - Band II
er ein sehr ehrlicher Mann ist.«
Nichtsdestoweniger wurde sie selbst von einer neuen Unruhe gestreift. Wie, wenn Monsignore Palma trotz des großen ihm geleisteten Dienstes unbestechlich bliebe? Dieser Gedanke verfolgte sie fortan. Das Warten fing von neuem an.
»Ich habe es Dir noch nicht gesagt,« fuhr sie nach einem Stillschweigen fort. »Ich habe mich zu dem famosen Besuch entschlossen. Ja, heute morgen war ich mit der Tante bei zwei Aerzten.« Sie begann wieder zu lächeln und schien durchaus nicht befangen zu sein.
»Nun?« fragte er mit derselben ruhigen Miene.
»Ei nun, sie haben wohl gesehen, daß ich nicht log, und da setzten sie jeder eine Art Certifikat in lateinischer Sprache auf – es scheint, daß das unbedingt notwendig ist, damit Monsignore Palma von dem, was er sagt, zurücktreten kann.«
Dann wandte sie sich zu Pierre.
»Ach, Herr Abbé, dieses Latein ... Ich hätte doch gerne gewußt, was darin stand und dachte an Sie, ob Sie die Gefälligkeit haben würden, es mir zu übersetzen. Aber Tante wollte mir die Stücke nicht lassen; sie ließ sie sofort den Akten beilegen.«
Der Priester, in großer Verlegenheit, begnügte sich, mit einer unbestimmten Kopfbewegung zu antworten, denn er wußte, was dies für eine Art von Certifikat war: eine bestimmte, vollständige Beschreibung in genauen Ausdrücken mit allen Einzelheiten des Zustandes, der Farbe und Form. Für die beiden lag darin zweifellos nichts Beschämendes; diese Untersuchung erschien ihnen als etwas ganz Natürliches und sogar Beglückendes, da ja das ganze Glück ihres Lebens davon abhängen sollte.
»Nun, hoffen wir, daß Monsignore Palma erkenntlich sein wird,« schloß Benedetta. »Und mittlerweile, mein Dario, werde für den schönen, so ersehnten Tag unseres Glückes rasch gesund.«
Aber er hatte die Unvorsichtigkeit begangen, zu früh aufzustehen, und seine Wunde hatte sich wieder geöffnet, so daß er gezwungen war, noch ein paar Tage zu Bette zu bleiben. Und Pierre fuhr fort, jeden Abend zu ihm hinein zu gehen und ihn zu zerstreuen, indem er ihm seine Spaziergänge schilderte. Er war nun kühner geworden, durchstreifte die Viertel von Rom und entdeckte mit Entzücken klassische Merkwürdigkeiten, die in allen Reiseführern verzeichnet stehen. So erzählte er ihnen eines Abends mit einer Art Zärtlichkeit von den bedeutendsten Plätzen der Stadt; er hatte sie anfangs banal gefunden, aber jetzt erschienen sie ihm sehr verschiedenartig, und jeder hätte seine tiefe Eigenart: die Piazza del Popolo, so sonnig, so edel in ihrer monumentalen Regelmäßigkeit – die Piazza di Spagna, der so lebhafte Zusammenkunftsort der Fremden mit ihrer von der Sommersonne vergoldeten, aus hundertzweiunddreißig Stufen bestehenden Doppeltreppe von riesiger Weite und Anmut – die große und immer von wimmelndem Volk erfüllte Piazza Colonna, die durch diese faule und sorglos hoffnungsvolle Menge, welche in Erwartung, daß das Glück ihr vom Himmel herabfallen werde, um die Marc Aurelsäule herumsteht und schlendert, am meisten italienisch aussieht – die lange, regelmäßige Piazza Navona, die vereinsamt ist, seit der Markt nicht mehr darauf stattfindet, und die schwermütige Erinnerung an ihr einstiges, lärmendes Leben bewahrt – die Piazza del Campo di Fiori, die jeden Morgen von dem lärmenden Treiben des Obst- und Gemüsemarktes erfüllt wird, mit einer wahren Pflanzung von großen Schirmen, mit den Haufen von Tomaten, spanischem Pfeffer, Trauben inmitten der kläffenden Flut von Händlerinnen und Hausfrauen. Am meisten überraschte ihn der Kapitolsplatz; er erweckte in ihm die Vorstellung von einem Gipfel, von einem offenen, die Stadt und die Welt beherrschenden Platz; und nun sah er, daß er klein, viereckig, von seinen drei Palästen eingeschlossen war und nur auf einer Seite auf einen kurzen, von Dächern begrenzten Horizont hinaus ging. Niemand geht hier vorüber; der Zugang erfolgt auf einer Aufgangsrampe, an deren Rande einige Palmen stehen, und nur die Fremden machen einen Umweg, um hierher zu fahren. Die Wagen warten und die Touristen machen einen Augenblick Halt, indem sie die Nase zu der in der Mitte stehenden wunderbaren antiken Bronzereiterstatue des Marc Aurel erheben. Gegen vier Uhr, wenn die Sonne den linken Palast vergoldet und die feinen Statuen des Simses sich von dem blauen Himmel abzeichnen, könnte man ihn mit seinen unter dem Portikus sitzenden und strickenden Frauen aus der Nachbarschaft, mit den Banden zerlumpter,
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