Rom - Band II
Orangenbäumen Roms, einem wahren Walde von hundertjährigen Orangenbäumen bepflanzt gewesen, in dem sie sich lieben gelernt hatten.
»Ach, ich erinnere mich,« sagte die Contessina, »zur Blütezeit duftete es so gut, daß man dabei vergehen konnte – so stark, so berauschend, daß ich einmal im Grase liegen blieb und mich nicht erheben konnte ... Erinnerst Du Dich, Dario? Du hast mich in die Arme genommen und trugst mich zum Springbrunnen, wo es sehr schön und sehr frisch war.«
Sie saß wie gewöhnlich auf dem Bettrande und hielt die Hand des Genesenden in der ihren. Er begann zu lächeln.
»Ja, ja, ich habe Dich auf die Augen geküßt und Du hast sie endlich geöffnet ... Du warst damals viel weniger grausam. Du ließest mich Deine Augen küssen, so viel ich wollte ... Aber wir waren Kinder, und wenn wir nicht Kinder gewesen wären, so wären wir in diesem großen Garten, der so stark duftete, und wo wir so frei hin und her liefen, sogleich Mann und Frau geworden.«
Sie nickte zustimmend; sie war überzeugt, daß nur die Madonna sie beschützt hatte.
»Das ist wahr, das ist wahr ... Und welches Glück, daß wir einander jetzt gehören können, ohne daß die Engel weinen brauchen.«
Das Gespräch kam immer wieder darauf zurück. Der Prozeß behufs Annullirung der Ehe nahm eine immer günstigere Wendung an, und Pierre wohnte jeden Abend ihrem Entzücken bei, hörte sie von nichts anderem reden als von ihrem künftigen Bunde, von ihren Plänen, von den Freuden Verliebter mitten im Paradiese. Donna Serafina, diesmal von einer mächtigen Hand geleitet, mußte wohl die Dinge mit Energie anfassen, denn es verging kein Tag, ohne daß sie irgend eine gute Nachricht heimbrachte. Sie wollte diese Angelegenheit um der Fortsetzung, um der Ehre des Namens willen möglichst rasch beendigen; denn Dario wollte nur seine Base heiraten, und andrerseits würde diese Heirat alles erklären, alles entschuldigen, indem sie einer fortan unerträglichen Lage ein Ende machte. Der abscheuliche Skandal, der schreckliche Klatsch, der die schwarze und weiße Gesellschaft aufregte, brachte sie zuletzt außer sich – um so mehr, als sie für den möglichen Fall eines Konklaves die Notwendigkeit eines Sieges begriff. Sie wollte, daß der Name ihres Bruders dann in reinem, erhabenem Glanze leuchtete. Noch nie hatte dieser geheime Ehrgeiz ihres ganzen Lebens, die Hoffnung, es mit anzusehen, wie ihr Geschlecht der Kirche einen dritten Papst schenkte, sie mit solcher Leidenschaft verzehrt; es war, als hätte sie das Bedürfnis gehabt, sich für ihr kaltes Cölibat zu trösten, seit ihre einzige Freude in dieser Welt, der Advokat Morano, sie in so harter Weise verlassen hatte. Stets in ein dunkles Kleid gehüllt, geschäftig und so schlank, so geschnürt, daß man sie von rückwärts für ein junges Mädchen gehalten hätte, war sie gleichsam das schwarze Gespenst des alten Palastes; Pierre begegnete ihr überall, während sie als sorgsame Hausverwalterin durch den Palast strich und eifersüchtig über den Kardinal wachte. Er grüßte sie schweigend, und jedesmal ward ihm ein bißchen kalt ums Herz, wenn er das ausgetrocknete, von langen Falten durchschnittene Gesicht mit der großen, eigenwilligen Familiennase sah. Aber sie erwiderte seinen Gruß kaum; sie sah noch immer geringschätzig auf diesen kleinen, fremden Priester herab, duldete ihn in ihrer nächsten Umgebung nur Monsignore Nani zu Gefallen, und weil sie außerdem wünschte, dem Vicomte Philiberte de la Choue angenehm zu sein, der so viele schöne Pilgerzüge nach Rom geführt hatte.
Nach und nach, als Pierre jeden Abend die ängstliche Freude, die Liebesungeduld Benedettas und Darios sah, ereiferte er sich zuletzt mit ihnen und wünschte eine rasche Lösung herbei. Der Prozeß sollte vor der Konzilskongregation wieder aufgenommen werden, nachdem deren erste Entscheidung zu Gunsten der Scheidung ungiltig geblieben war, da der Verteidiger der Ehe, Monsignore Palma, seinem Rechte gemäß eine Ergänzung der Untersuchung gefordert hatte. Uebrigens wäre diese erste, nur mit einer Stimme Mehrheit erfolgte Entscheidung sicherlich nicht vom heiligen Vater bestätigt worden. Kurz, es handelte sich darum, unter den zehn Kardinälen, aus denen die Kongregation bestand, Stimmen zu sammeln, sie zu überzeugen und die fast vollständige Einmütigkeit zu erzielen; das war eine schwierige Arbeit, denn durch die Verwandtschaft Benedettas, diesen Oheim, den Kardinal, der doch alles erleichtern
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