Rom - Band II
noch mit reifen Orangen beladen war. In der Malteserpriorei daneben that sich hingegen der Garten auf einen ungeheuren Horizont auf und umfaßte, steil über den Tiber hinweg, den Lauf des Flusses, die Fassaden und Dächer, die sich längs der beiden Ufer drängen, bis zu dem fernen Gipfel des Janiculus. Uebrigens gab es in diesen römischen Gärten immer denselben geschnittenen Buchs, denselben Eukalyptus mit dem weißen Stamm und den blassen, gleich Menschenhaaren langen Blättern, dieselben stämmigen, düsteren Wintereichen, riesigen Pinien, schwarzen Cypressen, und zwischen den Rosensträuchen weiße Marmorfiguren, unter den Mänteln des Epheus rauschende Springbrunnen. Eine zartere schmerzliche Freude genoß er erst in der Villa des Papstes Julius, deren im Halbkreis auf den Garten gehender Portikus mit seinen gemalten Zieraten, seinem blumenbedeckten goldenen Gitter, durch das Schwärme lächelnder kleiner Amoretten fliegen, das ganze Leben einer liebenswürdigen und sinnlichen Epoche erzählt. An dem Abende endlich, an dem er aus der Villa Farnesina zurückkehrte, sagte er, daß er die ganze tote Seele des alten Rom mit sich bringe; aber es waren nicht die nach Raffaelschen Kartons ausgeführten Malereien, die ihn berührt hatten, sondern eher der hübsche Saal am Rande des Wassers mit seiner in zart blau, zart lila und zart rosa gehaltenen, nicht genialen, aber so reizenden und echt römischen Ausschmückung – und mehr noch der verlassene Garten, der einst bis zum Tiber hinabreichte, und den der neue Quai jetzt einzwängte. Er war kläglich, öde, verwüstet, höckerig, gleich einem Kirchhof von Unkraut überwuchert, aber dennoch reiften in ihm noch immer die goldenen Früchte der Orangen und Zitronenbäume.
Noch einmal erhielt er eine seelische Erschütterung; es war an dem schönen Abend, an dem er die Villa Medici besuchte. Dort befand er sich auf französischer Erde. Und was für ein wunderbarer Garten war das wieder mit seinem Buchs, seinen Pinien, seinen Alleen voll Pracht und Reiz! Welchen Zufluchtsort für antike Träumereien bot dieses uralte und tief dunkle Wintereichengehölz, wo die untergehende Sonne glühende, rotgoldene Lichter in die glänzende Bronze der Blätter warf! Man muß eine endlose Treppe hinansteigen, aber oben vom Belvedere aus übersieht man das gesamte Rom mit einem Blick, als könnte man es, indem man die Arme ausbreitet, ganz umfassen. Vom Speisesaale der Villa, den die Porträts aller Künstler schmücken, die hier nach einander als Pensionäre gewohnt haben, besonders von der Bibliothek, einem großen Saal voll tiefer Ruhe, hat man dieselbe bewundernswerte Aussicht; es ist die größte und sieghafteste Aussicht, voll übermäßigen Ehrgeizes, dessen Unendlichkeit den jungen, hier eingeschlossenen Leuten den Wunsch nach dem Besitz der Welt ins Herz legen mußte. Er, der mit feindseligen Gefühlen gegen die Institution des Prix de Rome, gegen diese überlieferte, gleichförmige, für die Eigenart so gefährliche Erziehung gekommen war, wurde nun einen Augenblick von diesem lauen Frieden, von dieser klaren Einsamkeit des Gartens, von diesem erhabenen Horizont verführt, in dem die Flügel des Genius zu rauschen schienen. Ach, welche Wonne, zwanzig Jahre alt zu sein, drei Jahre in dieser unendlichen Milde, inmitten der schönsten menschlichen Werke zu leben, sich zu sagen, daß man noch zu jung ist, um schon zu schaffen, sich zu sammeln, sich zu suchen und genießen, leiden, lieben zu lernen! Aber dann bedachte er, daß das nicht die Sache der Jugend sei, daß es, um den göttlichen Genuß einer solchen Zurückgezogenheit in der Kunst und unter dem blauen Himmel völlig auszukosten, sicherlich des reifen Alters, bereits gewonnener Siege, der beginnenden Ermüdung nach vollendetem Werke bedurfte. Er sprach mit den Pensionären und bemerkte, daß, wenn auch träumerische und beschauliche junge Seelen sowie die einfache Mittelmäßigkeit sich an dieses in der Kunst der Vergangenheit gebannte Leben bequemten, doch jeder streitbare Künstler, jedes persönliche Temperament hier vor Ungeduld starb und verzehrt von der Sehnsucht, rasch mitten in dem feurigen Ofen des Schaffens und des Kämpfens zu sein, die Augen auf Paris gerichtet hielt.
Und alle diese Gärten, von denen Pierre abends mit Entzücken erzählte, erweckten in Benedetta und Dario die Erinnerung an den Garten der Villa Montefiori. Er war jetzt vernichtet, aber einst war er so grün und mit den schönsten
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