Rom - Band II
wie eine ganze Schule auf einen Spielhof losgelassener Kinder, für einen lauen und stillen kleinen Provinzplatz halten.
Und wieder an einem andern Abend gab Pierre Benedetta und Dario seiner Bewunderung Ausdruck für die Springbrunnen von Rom, derjenigen Stadt der Welt, wo das Wasser am reichlichsten und prächtigsten aus Marmor und Bronze rauscht – von der »Barke« auf der Piazza di Spagna, dem Triton auf der Piazza Barbarini, den Schildkröten auf dem schmalen Platze, der nach ihnen seinen Namen führt, bis zu den drei Springbrunnen der Piazza Navona, in deren Mittelpunkt die ungeheure Schöpfung Berninis prangt – und insbesondere bis zu der gewaltigen Fontana de Trevi, die einen so prunkvollen Geschmack ausweist und von dem König Neptun, der zwischen den zwei hohen Gestalten der Gesundheit und Fruchtbarkeit steht, beherrscht wird. An einem andern Abende kam er glückselig nach Hause und erzählte ihnen, daß er sich endlich den seltsamen Eindruck erklärt habe, den die Straßen des alten Rom um das Kapitol herum und längs des Tiber – überall, wo altes Mauerwerk sich an die Flanken der großen fürstlichen Paläste klebte, auf ihn machte; das kam daher, weil sie kein Trottoir besaßen und weil die Fußgeher, ohne sich zu eilen, in der Mitte zwischen den Wagen schritten, ohne daß es ihnen je einfiel, zu beiden Seiten an den Häusern entlang zu gehen. Es waren alte Viertel, wie er sie liebte, endlose, sich windende Straßen, schmale, unregelmäßige Plätze, ungeheure, viereckige Paläste, die in der zusammengedrängten Menge der sie von allen Seiten überflutenden Häuser gleichsam verschwanden. Auch das Viertel am Esquilin war so: überall mit grauem Kies bedeckte Treppen, jede Stufe mit weißem Stein umsäumt, jäh sich windende Abhänge, über einander liegende Terrassen, Seminare und Klöster mit geschlossenen Fenstern gleich toten Häusern, eine große kahle Mauer, über der eine prächtige Palme in das fleckenlose Blau des Himmels ragt. Und wieder an einem andern Abend, nachdem er seinen Spaziergang noch weiter ausgedehnt hatte, bis in die Campagna, längs des Tiber, stromaufwärts von der Ponte Molle, kehrte er begeistert zurück, da er die Offenbarung einer klassischen Kunst gehabt hatte, wie er sie bisher noch nie genossen. Längs der Ufer hatte er lauter Passinis gesehen – der gelbe, langsam dahinfließende Fluß mit den rohrbewachsenen Ufern, niedrige, gezackte Felsenriffe, deren kreidiges Weiß sich von dem rötlichen Hintergrunde der ungeheuren, wellenförmigen, nur von den blauen Hügeln am Horizont begrenzten Ebene abhob, einige karge Bäume, auf der Höhe des Ufers die Ruine eines ins Leere gehenden Portikus und eine Reihe weißlicher Schafe, die zum Trinken herabstiegen, während der Schäfer, mit einer Schulter am Stamme einer Wintereiche lehnend, zusah. Es war eine besondere kühne und rauhe, aus nichts bestehende, bis zur geraden und flachen Linie vereinfachte und von großen Erinnerungen ganz veredelte Schönheit; immer noch marschirten die römischen Legionen über die gepflasterten Straßen quer durch die kahle Campagna, und immer noch war es der lange Schlaf des Mittelalters, dann das Erwachen der antiken Natur im katholischen Glauben, der aus Rom zum zweitenmale den Herrn der Welt gemacht hat.
Eines Tages, nachdem Pierre den Campo Verano, den großen römischen Friedhof, besucht hatte, traf er abends am Bette Darios Celia in Gesellschaft von Benedetta.
»Wie, Herr Abbé, es macht Ihnen ein Vergnügen, zu den Toten zu gehen?« rief die kleine Prinzessin.
»Ach, diese Franzosen, diese Franzosen,« fuhr Dario fort, dem der bloße Gedanke an einen Friedhof wehe that. »Sie verderben sich durch ihre Liebe zu traurigen Schauspielen absichtlich das Leben.«
»Aber man entgeht ja nicht der Wirklichkeit des Todes,« sagte Pierre sanft. »Das beste ist es, ihm ins Antlitz zu schauen.«
Der Fürst wurde mit einemmale böse.
»Wirklichkeit, Wirklichkeit! Wozu denn? Wenn die Wirklichkeit nicht schön ist, sehe ich sie nicht an. Ich bemühe mich, gar nicht an sie zu denken.«
Der Priester fuhr nichtsdestoweniger in seiner ruhigen und liebenswürdigen Art fort, zu erklären, was ihn so überrascht hatte: die Sauberkeit des Friedhofes, das festliche Aussehen, das die helle Herbstsonne ihm verlieh, die außerordentliche Marmorpracht, die auf den Gräbern verschwenderisch angebrachten Marmorstatuen, Marmorkapellen, Marmordenkmäler. Sicherlich war das die Wirkung des antiken Atavismus;
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