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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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sah gestern am Korso eine Dame –«
    Sie hielt verlegen inne, denn sie war selbst überrascht, daß diese Nachricht ihr entschlüpfte. Dann aber fuhr sie in ihrer Eigenschaft als Jugendfreundin, die in die kleinen Liebesgeheimnisse eingeweiht war, tapfer fort:
    »Ja, eine hübsche Dame, die Sie gut kennen. Sie trug trotzdem einen Strauß weißer Rosen in der Hand.«
    Diesmal ließ Benedetta ihrer Heiterkeit freien Lauf, während Dario sie ebenfalls lachend anblickte. Sie hatte ihn in den ersten Tagen damit geneckt, daß eine gewisse Dame sich nicht nach ihm erkundigen lasse. Er war im Grunde über diesen ganz natürlichen Bruch nicht böse, denn das Verhältnis begann lästig zu werden, und wenn auch seine Eitelkeit als hübscher Mann ein wenig verletzt ward, vernahm er mit Befriedigung, daß Tonietta ihn bereits ersetzt hatte.
    »Ach, die Abwesenden haben immer unrecht.« war alles, was er sagte.
    »Der Mann, den man liebt, ist nie abwesend,« erklärte Celia mit ihrer ernsten und reinen Miene.
    Aber Benedetta hatte sich erhoben, um die Kissen hinter dem Rücken des Genesenden wieder hinaufzuziehen.
    »Laß, laß, mein Dario, all dieses Elend hat ein Ende. Ich werde Dich behalten. Du wirst niemand mehr zu lieben haben als mich.«
    Er betrachtete sie voll Leidenschaft und küßte sie aufs Haar, denn sie hatte die Wahrheit gesagt, er hatte nie eine andere geliebt als sie; und sie täuschte sich ebensowenig, wenn sie darauf rechnete, ihn immer für sich zu behalten, sobald sie sich ihm einmal gegeben haben würde. Seit sie ihn in diesem Zimmer pflegte, erkannte sie voll Freude das Kind in ihm wieder, so wie sie es einst unter den Orangenbäumen der Villa Montefiori geliebt hatte. Zweifellos infolge der Verschlechterung seiner Rasse bewahrte er eine seltsame Kindlichkeit; es war jene Art Rückkehr zur Kindheit, die man bei sehr alten Völkern bemerkt. Er spielte in seinem Bette mit Bildern und betrachtete stundenlang Photographien, die ihn zum Lachen brachten. Seine Unfähigkeit, zu leiden, war noch gewachsen; er verlangte, daß sie lustig sei und singe, und unterhielt sie durch die Liebenswürdigkeit seiner Selbstsucht, die ihn bewog, mit ihr von einem Leben steter Freuden zu träumen. Ach, wie schön würde das sein, stets mit einander im Sonnenschein zu leben, nichts zu thun und sich um nichts zu sorgen, mochte auch die Welt irgendwo zusammenbrechen, ohne daß man sich die Mühe gab, hin zu gehen, um es sich anzusehen!
    »Was mich aber freut, ist, daß der Herr Abbé sich zuletzt in Rom verliebt hat,« hob Dario plötzlich an.
    Pierre, der schweigend zugehört hatte, stimmte gerne zu.
    »Das ist wahr.«
    »Wir haben es Ihnen ja gesagt,« ließ sich Benedetta vernehmen. »Um Rom zu verstehen und zu lieben, braucht es Zeit, viel Zeit. Wenn Sie nur vierzehn Tage geblieben wären, würden Sie eine beklagenswerte Meinung von uns mitgenommen haben; jetzt aber, am Ende von zwei langen Monaten, sind wir ganz ruhig; nie mehr werden Sie ohne Zärtlichkeit an uns denken.«
    Sie war bezaubernd und entzückend, während sie das sagte, und er verbeugte sich abermals. Aber er hatte über das Phänomen bereits nachgedacht und glaubte seine Lösung zu besitzen. Wenn man nach Rom kommt, bringt man ein eigenes Rom mit, ein getrimmtes, von der Einbildungskraft derart veredeltes Rom, daß das wirkliche Rom die schlimmste Enttäuschung bietet. Man muß daher, um der Einbildungskraft Zeit zu geben, abermals zu arbeiten, die Dinge, so wie sie sind, nur noch durch die wunderbare Pracht der Vergangenheit sehen, abwarten, bis die Gewohnheit entsteht, bis die mittelmäßige Wirklichkeit sich mildert.
    Celia hatte sich erhoben und verabschiedete sich.
    »Auf Wiedersehen, Liebe. Und die Hochzeit wird bald sein, nicht wahr, Dario? ... Ihr wißt, ich will vor Ende des Monats Braut sein. Ja, ja, ich werde meinen Vater schon zwingen, eine große Soirée zu geben ... Ach, wie schön würde das sein, wenn die beiden Hochzeiten zugleich sein könnten.«
    Es war zwei Tage später, als Pierre nach einem großen Spaziergang durch Trastevere, dem ein Besuch im Palazzo Farnese gefolgt war, fühlte, wie ihm die schreckliche und schwermütige Wahrheit über Rom aufging. Bereits mehrmals hatte er Trastevere durchwandert, dessen elende Bevölkerung seine betrübte Liebe zu den Armen und Leidenden anzog. Ach, diese Kloake des Elends und der Unwissenheit! Er hatte in Paris abscheuliche Vorstadtwinkel, ganze Häuserreihen des Grauens gesehen, wo die Menschheit

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