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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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haufenweise faulte. Aber nichts reichte annähernd an diese Stockung in der Sorglosigkeit und im Schmutz. An den schönsten Tagen dieses sonnigen Landes ließ ein feuchtes Dunkel die gewundenen, zusammengepreßten, kellerähnlichen Gäßchen erstarren; vor allem aber war der Geruch schrecklich, ein ekelhafter Geruch, der den Vorübergehenden den Hals zusammenschnürte, der von sauren Gemüsen, ranzigem Oel, dem menschlichen Vieh herrührte, das da zwischen seinem Mist eingepfercht war. Da gab es unregelmäßige, alte Gemäuer in dem geliebten Durcheinander romantischer Künstler, mit dunklen, gähnenden Thoren, die unter die Erde versanken, äußere Treppen, die zu den Stockwerken aufstiegen, Holzbalkone, die wie durch ein Wunder im leeren Raume im Gleichgewicht erhalten wurden. Da gab es halb zusammengebrochene Fassaden, die man mit Hilfe von Balken hatte stützen müssen, unsaubere Wohnungen, deren geborstene Fenster den nackten Schmutz sehen ließen, geringe Kramladen und die ganze, im Freien befindliche Küche eines faulen Volkes, das kein Feuer anzündete, die Bratköche mit ihren in stinkendem Oel herumschwimmenden Polentastücken und Fischen, die Händler mit gekochten Gemüsen, die kalt gewordene und klebrige, ungeheure Steckrüben, Bündel Sellerie, Blumenkohl und Spinat ausstellten. Das schlecht geschnittene Fleisch in den Fleischerläden sah schwarz aus; Tierhälse waren mit Blutklümpchen besetzt und sahen wie ausgerissen aus. Die Brote der Bäcker waren wie runde Pflastersteine auf ein Brett aufgehäuft; arme Obstverkäuferinnen stellten vor ihren, mit getrockneten und aufgereihten Tomaten bekränzten Thüren nur spanischen Pfeffer und Pinienäpfel aus. Die einzigen lockenden Buden waren die der Delikatessenhändler mit ihrem Pökelfleisch und ihren Käsen, deren scharfer Geruch den Gestank der Gassen ein wenig milderte. Lotteriestellen, wo die Gewinnnummern angeschlagen waren, wechselten mit Schenken; alle dreißig Schritte kam eine Schenke, auf der mit großen Buchstaben stand, daß hier die erlesenen Weine der römischen Schlösser, Genzano, Marino, Frascati zu haben wären. Und das ganze Viertel wimmelte von einer zerlumpten, von Schmutz schwarzen Bevölkerung, von Banden halbnackter Kinder, die von Ungeziefer verzehrt wurden, von gestikulirenden und schreienden Frauen mit offenen Haaren, in Nachtjacken, in vor Fett steifen Unterröcken, von Greisen, die unter dem Schwarm von Mücken, die sie verzehrten, unbeweglich auf Bänken saßen. Es war ein müßiges und bewegtes Leben inmitten des fortwährenden Kommens und Gehens kleiner Esel, die Karren zogen, von Männern, die Truthähne mittelst Fauststößen trieben, von unruhigen Touristen, über die sich sofort ganze Banden von Bettlern stürzten. Schuhflicker ließen sich ruhig arbeitend auf dem Trottoir nieder; vor der Thür eines kleinen Schneiders hing ein alter, mit Erde gefüllter Eimer, in dem eine Fettpflanze blühte. Und vor allen Fenstern, von allen Ballonen hingen auf Stricken, die von einem Hause zum andern, quer über die Straße, gespannt waren, Wäschestücke, namenlose Lumpen, die gleichsam die symbolischen Fahnen des abscheulichen Elends waren.
    Pierre fühlte, wie seine brüderliche Seele sich in unendlichem Mitleid auflehnte. Ja, gewiß, man mußte sie niederreißen, diese kranken, verpesteten Viertel, wo das Volk so lange wie in einem vergifteten Kerker gehockt hatte! Ja, er war für die Gesundung, für die Niederreißung, mochte auch das alte Rom zum großen Aergernis der Künstler getötet werden. Trastevere war schon sehr verändert; neue Straßen rissen Luftlöcher hinein, die man mittelst der Haue geschafft hatte und durch die das Sonnenlicht in breiten Streifen eindrang. Was davon übrig blieb, schien inmitten dieser niedergerissenen Häuser, dieser kürzlich entstandenen Löcher, der großen, unbestimmten Flächen, ans denen man noch nicht hatte bauen können, noch schwärzer, noch unsauberer zu sein. Diese in Entwicklung begriffene Stadt interessirte ihn unendlich. Später würde man ohne Zweifel den Wiederaufbau beenden; aber was für eine anziehende Zeit war es, da die alte Stadt in der neuen inmitten so vieler Schwierigkeiten mit dem Tode rang! Man hätte das unsaubere, unter Ausleerungen, Spülwasser und Gemüseabfällen versunkene Rom kennen müssen. Das jüngst geschleifte Ghetto hatte seit Jahrhunderten den Boden mit einer solchen menschlichen Fäulnis getränkt, daß der noch kahle Bauplatz, der voll von Höckern und

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