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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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wie er ihn nannte, entfuhr. Dann sagte er, an der Thüre angelangt, in einer abermaligen mitteilsamen Regung, indem er die Stimme senkte:
    »Hören Sie, mein Lieber, ich will etwas für Sie thun, ich will Ihnen einen guten Rat geben. Ich bin eigentlich nichts. Ich liefere meinen Bericht ab, er wird gedruckt, gelesen, ohne daß Wert darauf gelegt werden muß. Der Sekretär der Kongregation hingegen, der Pater Dangelis vermag alles, sogar das Unmögliche ... Besuchen Sie ihn also im Dominikanerkloster hinter der Piazza di Spagna ... Erwähnen Sie meiner nicht. Auf Wiedersehen, mein Lieber, auf Wiedersehen!«
    Betrübt fand sich Pierre auf der Piazza Navona wieder; er wußte nicht mehr, was er glauben und hoffen sollte. Ein feiger Gedanke überkam ihn; wozu sollte er diesen Kampf fortsetzen, bei dem die Gegner unbekannt, ungreifbar blieben? Warum sollte er noch länger steif auf diesem lockenden und trügerischen Rom bestehen? Er würde fliehen, noch heute abend nach Paris zurückkehren, dort verschwinden und die bitteren Enttäuschungen in der Ausübung der demütigsten Nächstenliebe vergessen. Er befand sich in einer jener Stunden der Hilflosigkeit, da die so lange ersehnte Aufgabe plötzlich unmöglich erscheint. Aber inmitten seiner Verwirrung ging er dennoch weiter seinem Ziele zu. Als er auf dem Corso, dann in der Via dei Condotti und zuletzt auf der Piazza di Spagna angelangt war, beschloß er, noch den Pater Dangelis aufzusuchen. Dort befindet sich das Dominikanerkloster, unterhalb von S. Trinità de Monti. Ach, diese Dominikaner! Er hatte nie ohne eine gewisse, mit ein wenig Schreck gemischte Ehrfurcht an sie gedacht. Als was für eine kräftige Stütze des absoluten und theokratischen Gedankens hatten sie sich während Jahrhunderten erwiesen! Ihnen verdankte die Kirche ihre festeste Autorität; sie waren die glorreichen Krieger ihres Sieges. Während der heilige Franziskus Rom die Seelen der Einfältigen eroberte, unterwarf ihm der heilige Dominikus die Seelen der Verständigen und Mächtigen, alle höheren Seelen. Und zwar that er das voll Leidenschaft, mit einem Feuer bewunderungswürdiger Gläubigkeit und Willenskraft, mit allen möglichen Mitteln – durch Predigten, durch Bücher, durch den Druck der Polizei und der Gerichte. Wenn er die Inquisition auch nicht schuf, so machte er sie doch nutzbar; sein sanftes, brüderliches Herz bekämpfte das Schisma mit Blut und Feuer. Er und seine Mönche lebten in Armut, Keuschheit und Gehorsam, den großen Tugenden jener hochfahrenden und ungeregelten Zeiten; er zog durch die Städte, predigte den Gottlosen, strengte sich an, sie zur Kirche zurückzuführen und zeigte sie den geistlichen Gerichten an, wenn sein Wort nicht genügte. Er machte sich auch an die Wissenschaft, wollte sie für sich gewinnen, träumte davon, Gott durch die Waffen der Vernunft und der menschlichen Kenntnisse zu verteidigen, war der Ahne des englischen St. Thomas, der Leuchte des Mittelalters, der alles, die Psychologie, Logik, Politik und Moral in dem Summarium zusammengefaßt hat. So kam es, daß die Dominikaner die Welt erfüllten, indem sie die Lehre Roms auf den berühmten Kanzeln aller Völker verfochten und fast überall mit dem freien Geiste der Universitäten im Kampfe lagen; sie waren wachsame Hüter des Dogmas, unermüdliche Schmiede des Glückes der Päpste, die mächtigsten aller künstlerischen, wissenschaftlichen und literarischen Arbeiter, die das ungeheure Gebäude des Katholizismus, so wie es noch heute besteht, aufgebaut haben.
    Aber heute fragte sich Pierre, der dieses Gebäude, das man auf festem Grunde für die Ewigkeit gebaut zu haben meinte, zusammenbrechen fühlte, von welchem Nutzen diese Arbeiter aus einer andern Zeit wohl noch sein konnten? Ihre Polizei und ihre Gerichte waren unter dem Fluch gestorben, ihr Wort ward nicht mehr gehört, ihre Bücher wurden nicht mehr gelesen, ihre Rolle als Gelehrte und Zivilisatoren war angesichts der gegenwärtigen Wissenschaft, deren Wahrheiten das Dogma allerseits immer mehr und mehr erschüttern, zu Ende gespielt. Gewiß, sie bilden noch immer einen einflußreichen und gedeihenden Orden, aber wie weit ist die Zeit, da ihr General als Herr des heiligen Palastes in Rom regierte und in ganz Europa Klöster, Schulen, Unterthanen hatte! Von diesem unermeßlich großen Erbteil bleibt ihnen in der römischen Kurie fortan nichts mehr als einige erworbene Stellen, darunter das Amt eines Sekretärs der Indexkongregation, eine

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