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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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ehemalige Dependenz des S. Offizio, wo sie unumschränkt herrschen.
    Pierre wurde sofort zum Pater Dangelis eingelassen. Der Saal war sehr groß, kahl, weiß und von hellem Sonnenlicht überflutet. Es befand sich nichts darin als ein Tisch und einige Schemel; an der Wand hing ein großes, kupfernes Kruzifix. Neben dem Tisch stand der Pater, ein sehr magerer, in die strenge, weite, schwarz und weiße Tracht gehüllter Mann von beiläufig fünfzig Jahren. Die grauen Augen in seinem langen Asketengesichte mit dem schmalen Munde, der schmalen Nase, dem schmalen, störrischen Kinn besaßen einen lästig starren Ausdruck. Im übrigen benahm er sich sehr bestimmt, sehr einfach, eisig höflich.
    »Herr Abbé Froment, der Verfasser des ›Neuen Rom‹, nicht wahr?«
    Und er ließ sich auf einen Schemel nieder, indem er mit der Hand auf einen andern wies.
    »Wollen Sie mir gefälligst den Zweck Ihres Besuches mitteilen, Herr Abbé.«
    Pierre mußte nun seine Erklärungen, seine Verteidigung von neuem beginnen und das ward ihm bald um so peinlicher, da er inmitten einer tödlichen Stille, einer tödlichen Kälte sprach. Der Pater rührte sich nicht; er hielt die Hände auf den Knieen verschränkt und die scharfen, durchdringenden Augen auf die des Priesters gerichtet.
    Endlich, als dieser innehielt, sagte er ohne Hast:
    »Herr Abbé, ich glaubte, Sie nicht unterbrechen zu dürfen, aber ich hatte all das nicht anzuhören. Der Prozeß gegen Ihr Werk ist eingeleitet und keine Macht der Erde vermöchte seinen Gang aufzuhalten. Ich verstehe daher nicht recht, was Sie von mir zu erwarten scheinen.«
    »Ich erwarte Güte und Gerechtigkeit,« wagte Pierre mit zitternder Stimme zu antworten.
    Ein mattes Lächeln voll hochfahrender Demut erschien auf den Lippen des Mönches.
    »Seien Sie ohne Furcht. Gott hat noch immer geruht, mich in meinem bescheidenen Amte zu erleuchten. Uebrigens habe ich gar keine Gerechtigkeit zu üben; ich bin ein einfacher Beamter, der die Prozesse zu ordnen und zu dokumentiren hat. Nur Ihre Eminenzen, die Mitglieder der Kongregation sind es, die über Ihr Buch ein Urteil sprechen werden... Sie werden es sicherlich mit der Hilfe des heiligen Geistes thun und Sie haben dann nichts zu thun, als sich vor ihrem Urteil zu beugen, sobald es von Seiner Heiligkeit bestätigt wird.«
    Er brach kurz ab und erhob sich; damit zwang er auch Pierre, sich zu erheben. Es waren also fast dieselben Worte, wie bei Monsignore Fornaro, nur wurden sie hier mit schneidender Bestimmtheit, mit einer Art ruhiger Bravour gesprochen. Ueberall stieß er sich an dieselbe namenlose Kraft, die mächtige, zermalmende Maschine, deren Räder sich unter einander nicht kennen wollen. Ohne Zweifel würde man ihn noch lange Zeit von einem zum andern führen, ohne daß er je das Haupt, den urteilenden und handelnden Willen fände. Und es blieb ihm nichts übrig, als sich zu beugen.
    Trotzdem kam ihm vor dem Weggehen der Gedanke, noch einmal den Namen des Monsignore Nani auszusprechen, dessen Macht er jetzt kennen zu lernen begann.
    »Ich bitte um Verzeihung, daß ich unnützerweise gestört habe. Ich bin nur dem wohlwollenden Rate des Monsignore Nani gefolgt, der sich für mich zu interessiren geruht.«
    Aber die Wirkung war eine unerwartete. Das magere Gesicht Pater Dangelis' wurde abermals von einem Lächeln erhellt; es war ein Verziehen der Lippen, in dem sich die ironischeste Geringschätzung scharf malte. Er war noch bleicher geworden und seine geistvollen Augen flammten.
    »Ah, Monsignore Nani schickt Sie her ... Ei nun, wenn Sie Protektion nötig zu haben glauben, so ist es unnütz, sich an einen andern als ihn selbst zu wenden. Er ist allmächtig ... Besuchen Sie ihn, besuchen Sie ihn.«
    Das war die ganze Ermutigung, die Pierre von diesem Besuche heimnahm; er erhielt den Rat, zu dem zurückzukehren, der ihn schickte. Er fühlte, daß er den Boden unter den Füßen verlor und beschloß, in den Palazzo Boccanera zurückzukehren, um nachzudenken und zu verstehen, ehe er weitere Schritte unternahm. Sofort war ihm der Gedanke gekommen, Don Vigilio zu fragen und der Zufall wollte es, daß er den Sekretär noch an diesem Abend, nach dem Abendessen im Korridor traf, in dem Augenblick, als er mit seiner Kerze in der Hand, im Begriffe stand, schlafen zu gehen.
    »Ich hätte Ihnen so viel zu sagen! Bitte, lieber Herr Abbé, treten Sie doch einen Augenblick bei mir ein.«
    Der Abbé hieß ihn mit einer Geberde schweigen; dann sagte er mit sehr leiser

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