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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Formsache war – waren denn nicht alle Bücher strafbar? Aber welch seltsamer und kläglicher Zwinger der Vergangenheit war dieser gealterte, gebrechliche, kindisch gewordene Index! Man fühlte, welche furchtbare Macht er einst gewesen sein mochte, als die Bücher selten waren und die Kirche Blut- und Feuergerichte besaß, um ihre Urteile auszuführen. Dann hatten sich die Bücher so vervielfältigt und der geschriebene, gedruckte Gedanke war ein so tiefer, so breiter Strom geworden, daß dieser Strom alles überschwemmt, alles mitgerissen hatte. Der entartete, von Ohnmacht befallene Index sah sich jetzt auf die eitle Demonstration beschränkt, die gewaltige moderne Erzeugung in Bausch und Bogen zu verdammen, beschränkte das Feld seiner Thätigkeit immer mehr und hielt sich einzig und allein an die Prüfung der Werke von Geistlichen. Aber auch in dieser Rolle war er verdorben, von den schlimmsten Leidenschaften besteckt, in ein Werkzeug der Ränke, des Hasses, der Rache verwandelt worden. Ach, diese Zerstörung, dieses traurige Bekenntnis gebrechlichen Alters, allgemeiner, wachsender Lähmung inmitten der spöttischen Gleichgiltigkeit der Völker! Der Katholizismus, der einstige glorreiche Vermittler der Zivilisation, war dahin gekommen, die Bücher haufenweise in das Feuer seiner Hülle zu weisen! Und welch ein Haufen war das! Fast die ganze Literatur, Geschichte, Philosophie und Wissenschaft der vergangenen Jahrhunderte und des jetzigen! Gegenwärtig werden wenige Bücher veröffentlicht, die nicht unter den Bannstrahl der Kirche geraten würden. Wenn sie die Augen zu schließen scheint, so geschieht es, um der unmöglichen Aufgabe, alles zu verfolgen und alles zu zerstören, aus dem Wege zu gehen; dennoch beharrt sie dabei, den Schein ihrer höchsten Gewalt über die Geister zu bewahren – wie eine sehr alte, ihrer Staaten entsetzte Königin ohne Richter und Henker, die trotzdem fortfährt, eitle, von einer geringen Minderheit angenommene Urteile zu erlassen. Aber man nehme nur an, daß sie, einen Augenblick Siegerin, durch ein Wunder die Herrin der modernen Welt werden würde; man frage sich, was sie aus dem menschlichen Gedanken machen würde, wenn sie Tribunale zum Verdammen, Gendarmen zum Vollstrecken besäße. Man nehme an, daß die Regeln des Index streng angewendet würden, ein Drucker ohne Zustimmung des Bischofs nichts in Druck bringen könnte, alle Bücher sodann der Kongregation überwiesen würden, die Vergangenheit gereinigt, die Gegenwart geknebelt, der geistigen Schreckensherrschaft unterworfen werden würde. Würde das nicht die Schließung der Bibliotheken, die Einkerkerung der langen Erbschaft des geschriebenen Gedankens, die Verrammlung der Zukunft, das vollständige Stocken jeden Fortschritts und jeder Eroberung bedeuten? Ein furchtbares Beispiel dieses verhängnisvollen Experimentes bietet in unseren Tagen Rom mit seinem erkalteten Boden, seinem erstorbenen, durch Jahrhunderte päpstlicher Herrschaft getöteten Mark, Rom, das so unfruchtbar geworden ist, daß nach fünfundzwanzig Jahren des Erwachens und der Freiheit noch kein einziger Mann, kein einziges Werk darin entstehen konnte. Aber wer würde das erkennen – nicht unter den revolutionären, sondern unter den frommen Geistern von einiger Bildung und einigem Umfang? Alles bricht im Kindischen und Thörichten zusammen.
    Eine tiefe Stille herrschte und Pierre, den diese Betrachtungen ganz verstörten, machte eine verzweifelte Geberde, als er den stumm vor ihm sitzenden Don Vigilio ansah. Einen Augenblick schwiegen beide in der Unbeweglichkeit des Todes, die aus dem alten, schlummernden Palast aufstieg, inmitten dieses geschlossenen Zimmers, das die Lampe mit ruhigem Licht erhellte. Dann beugte sich Don Vigilio funkelnden Blickes vor und hauchte, von einem leichten Schauer seines Fiebers geschüttelt:
    »Sie wissen, hinter allem stecken sie, immer nur sie.«
    Pierre, der ihn nicht verstand, geriet über dieses zerstreute, scheinbar ohne Uebergang ausgesprochene Wort in etwas unruhiges Erstaunen.
    »Wer sind sie?«
    »Die Jesuiten!«
    Der abgemagerte, gelb gewordene kleine Priester hatte in diesen Schrei die angesammelte Wut seiner nun losbrechenden Leidenschaft gelegt. Ah, desto schlimmer, wenn er eine neue Dummheit beging! Das Wort war endlich heraus! Dennoch warf er einen letzten Blick voll rasenden Trotzes rings über die Wände. Dann machte er sich Luft in einem langen Wortschwall, der um so unwiderstehlicher war, als er ihn schon

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