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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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alles. Sie erklären, daß es mit dem Himmel Abkommen gibt; sie beugen sich den Sitten, den Vorurteilen, sogar den Lastern; sie lächeln, sind willfährig, in keiner Hinsicht streng, liebenswürdig, diplomatisch, bereit, die ärgsten Greuel zur größten Ehre Gottes zu drehen. Ihr Sammelruf, ihre nachgiebige Moral – die Moral, die man ihnen zum Verbrechen angerechnet hat – ist, daß alle Mittel dem Zweck heilig sind, wenn der Zweck das Interesse Gottes selbst ist, dargestellt durch das der Kirche. Und deshalb – welch furchtbarer Erfolg! Sie vermehren sich, sie bedecken bald die Erde, werden überall die unbestrittenen Herren. Sie hören Königen die Beichte; sie erwerben ungeheure Reichtümer; sie sind eine so siegreiche Einfallsmacht, daß sie in kein Land, mag es noch so klein sein, den Fuß setzen können, ohne es bald ganz mit seinen Seelen, Leibern, seiner Macht und seinem Reichtum, zu besitzen. Vor allem gründen sie Schulen; sie sind unvergleichliche Gehirnkneter, denn sie haben begriffen, daß die Macht immer dem Morgen, den aufwachsenden Geschlechtern gehört, deren Herr man bleiben muß, wenn man ewig herrschen will. Ihre auf der Notwendigkeit eines Vergleiches mit der Sünde gegründete Macht ist derart, daß sie am Tage nach dem Konzil von Trient den Geist des Katholizismus umwandeln, ihn durchdringen und mit sich identifiziren, die unentbehrlichen Krieger des Papsttums sind, das von ihnen und für sie lebt. Seither gehört Rom ihnen – Rom, wo ihr General so lange befohlen hat, von wo so lange Zeit die Losungsworte jener dunklen, genialen Taktik ausgingen. Sie wurde blindlings von ihrem unzählbaren Heer befolgt, dessen geschickte Organisation, dessen sammetweiche, in der Leitung der armen, leidenden Menschheit erfahrene Hand den Erdball mit einem eisernen Netz bedeckt. Aber das Wunder bei all dem ist noch die verblüffende Lebenskraft der unablässig verfolgten, verdammten, vertriebenen und trotzdem aufrecht stehenden Jesuiten. Seit ihre Macht entschieden wird, beginnt ihre Mißliebigkeit und wird nach und nach allgemein. Ein Hohngeschrei von Verwünschungen, abscheuliche Anklagen, schändliche Prozesse erheben sich gegen sie. in denen sie als Verderber und Uebelthäter erscheinen. Pascal weiht sie der öffentlichen Verachtung. Parlamente verdammen ihre Bücher zum Verbrennen, Universitäten verwerfen ihre Moral und ihre Lehre wie Gift. In jedem Reiche erregen sie solche Unruhen, solche Kämpfe, daß die Jesuitenverfolgung sich organisirt und sie bald von überall verjagt werden. Länger als ein Jahrhundert irren sie umher, werden ausgetrieben, wieder zurückberufen, gehen über die Grenze und wieder zurück, verlassen ein Land inmitten von Haßgeschrei und lehren wieder, sobald Beruhigung eingetreten ist. Zuletzt, nachdem ein Papst sie unterdrückt hatte, – das war ihr höchstes Unglück – wurden sie von einem andern wieder eingesetzt und werden seit jener Zeit so ziemlich geduldet; in dem diplomatischen Zurücktreten, dem freiwilligen Dunkel, in dem sie klugerweise leben, triumphiren sie nichtsdestoweniger mit ruhiger, siegesgewisser Miene, wie Krieger, die die Erde für immer erobert haben.
    Pierre wußte, daß sie heutzutage, wenn man nur nach dem äußeren Schein urteilte, aus dem Besitz von Rom vertrieben waren. Sie verwalteten nicht mehr die Jesuitenkirche, leiteten nicht mehr das Collegium Romanum, wo sie so viele Seelen gemodelt hatten, und haben sich, ohne ein eigenes Heim zu besitzen, auf fremde Gastlichkeit angewiesen, bescheiden in das Collegium Germanicum zurückgezogen, in dem sich eine kleine Kapelle befand. Dort lehrten und hörten sie noch die Beichte, aber ohne Aufsehen, ohne die fromme Pracht des Il Gesu, ohne die blendenden Erfolge des Collegium Romanum. Muß man sonach glauben, daß sie aus höchster Gewandtheit, aus List verschwinden, um die geheimen und allmächtigen Herren, der verborgene, alles leitende Wille zu bleiben? Es hieß wohl, daß die Verkündigung der Unfehlbarkeit des Papstes ihr Werk, die Waffe sei, mit der sie sich selbst bewappneten, während sie sich stellten, als bewappneten sie das Papsttum für die nahen, entscheidenden Ausgaben am Vorabend großer sozialer Umwälzungen, die ihr Genius voraussah. Dann war also jene geheime Oberhoheit, von der Don Vigilio mit geheimnisvollem Erschauern erzählte, jene Beschlagnahme der Regierung der Kirche, jene unbekannte und vollständige Herrschaft im Vatikan vielleicht wahr.
    Im Geiste Pierres war eine geheime

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