Rom - Band II
Ideenverbindung entstanden.
»Monsignore Nani ist also Jesuit?« fragte er plötzlich.
Dieser Name schien Don Vigilio wieder seiner ganzen unruhigen Leidenschaft auszuliefern. Er machte eine zitternde Handbewegung.
»Er! O, er ist viel zu schlau, viel zu gewandt, um in den Orden zu treten. Aber er kommt aus jenem Collegium Romanum, wo seine Generation gebildet wurde; er hat den Genius der Jesuiten eingesogen, der so genau zu seinem eigenen paßte. Wenn er auch begriffen hat, wie gefährlich es ist, sich durch eine mißliebige und störende Livree zu kennzeichnen, wenn man frei sein will, so ist er deshalb nicht weniger Jesuit. O, Jesuit bis ins Innerste, bis in die Knochen, bis in die Seele, und zwar aufs vollendetste. Er hat offenbar die Ueberzeugung, daß die Kirche nur siegen kann, wenn sie sich der Leidenschaften der Menschen bedient; dabei liebt er sie aufrichtig, ist im Grunde sehr fromm, ein sehr guter Priester und dient Gott ohne Schwäche für die unumschränkte Macht, die er seinen Dienern gibt. Außerdem ist er bezaubernd, weder einer Roheit noch einer Sünde fähig, wird durch die Reihe der edlen Venetianer, die er hinter sich hat, begünstigt, besitzt durch seine Weltkenntnis, da er in Wien, in Paris, in den Nuntiaturen viel in Gesellschaft verkehrt hat, eine tiefe Einsicht und weiß alles, kennt alles, dank dem heiklen Amte, das er hier seit zehn Jahren als Assessor beim S. Offizio einnimmt ... O, er ist allmächtig! Das ist nicht der verstohlene Jesuit, dessen schwarzer Rock inmitten von Mißtrauen dahingleitet, sondern der Anführer ohne kennzeichnende Uniform, das Haupt, das Gehirn!«
Diese Worte machten Pierre nachdenklich, denn es handelte sich nicht mehr um in den Mauern versteckte Männer, um die düsteren Verschwörungen einer romantischen Sekte. Wenn sein Skeptizismus sich auch gegen diese Märchen wehrte, so gab er doch sehr wohl zu, daß eine bequeme, den Bedürfnissen des Kampfes ums Leben entspringende Moral, wie die der Jesuiten, sich der gesamten Kirche eingeimpft hatte und darin vorherrschte. Die Jesuiten selbst konnten verschwinden, ihr Geist würde sie überleben, da er die Waffe zum Kampf, die Hoffnung auf Sieg, die einzige Taktik war, die die Völker wieder unter die Herrschaft Roms bringen konnte. Der Kampf lag in Wirklichkeit in diesem Versuch einer Anbequemung, die sich zwischen der Religion und dem Jahrhundert vollzog. Von nun an begriff er, wie Männer gleich Monsignore Nani eine ungeheure, entscheidende Bedeutung annehmen konnten.
»Ach, wenn Sie wüßten, wenn Sie wüßten!« fuhr Don Vigilio fort. »Er ist überall, er hat seine Hand in allem. Sehen Sie, hier, bei den Boccaneras ist gar nichts vorgegangen, bei dem ich ihn nicht dahinter gefunden habe, bei dem er nicht, je nach Bedarf – den er allein kennt – die Fäden verwirrte und entwirrte.«
Und in dem unversiegbaren Fieber der Mitteilsamkeit, dessen Krisis ihn verbrannte, erzählte er, wie Monsignore Nani sicher an der Scheidung Benedettas gearbeitet hatte. Die Jesuiten haben, trotz ihres versöhnlichen Geistes, stets eine unversöhnliche Haltung gegen Italien eingenommen, entweder weil sie nicht an der Wiedereroberung Roms verzweifeln, oder weil sie die Stunde abwarten, um mit dem wirklichen Sieger zu verhandeln. So hatte denn Nani, schon lange ein Vertrauter Donna Serafinas, dieser geholfen, ihre Nichte zurück zu nehmen und den Bruch mit Prada zu beschleunigen, sobald Benedetta ihre Mutter verloren hatte. Er war es, der, um den Abbé Pisoni, diesen patriotischen Pfarrer, den Beichtvater des jungen Mädchens, den man beschuldigte, diese Heirat bewirkt zu haben, zu verdrängen, Benedetta antrieb, sich den Beichtvater ihrer Tante zu nehmen. Das war der Jesuitenpater Lorenzo, ein schöner Mann mit klaren und wohlwollenden Augen, dessen Beichtstuhl in der Kapelle des Collegium Germanum belagert war. Es schien festzustehen, daß dieses Manöver die ganze Sache entschieden hatte: was ein Pfarrer für Italien gethan hatte, sollte ein Pater gegen Italien rückgängig machen. Aber warum schien nun Nani, nachdem er derart den Bruch vollzogen, einen Augenblick daran das Interesse zu verlieren, so daß er das Gesuch um Annullirung der Ehe gefährden ließ? Und warum beschäftigte er sich jetzt wieder damit, indem er Monsignore Palma laufen ließ, Donna Serafina ins Feld führte und selbst auf die Kardinäle der Konzilskongregation einen Druck übte? Es gab da dunkle Punkte, wie in allem, womit er sich beschäftigte; denn
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