Rom - Band II
nennt.«
Pierre griff mit beiden Händen an seine Schläfen und preßte sich verzweifelt den Kopf zusammen.
»Warum also, warum? Ich bitte Sie, sagen Sie es mir! Warum ließ er mich herkommen, warum wollte er mich in diesem Hause, zu seiner völligen Verfügung haben? Warum führt er mich seit drei Monaten in Rom spazieren, wozu läßt er mich an Hindernisse stoßen, wozu will er mich ermüden, da es ihm doch so leicht war, mein Buch, wenn es ihn stört, vom Index unterdrücken zu lassen? Freilich hätte ich die Sache nicht so ruhig vorübergehen lassen, denn ich war willens, mich nicht zu unterwerfen, meinen neuen Glauben laut zu bekennen, selbst gegen die Beschlüsse Roms.«
Die schwarzen Augen in dem gelben Gesichte Don Vigilios funkelten.
»Eh, vielleicht hat er das eben nicht gewollt. Er weiß, daß Sie sehr intelligent und sehr schwärmerisch sind, und ich habe ihn oft sagen hören, daß man gegen Intelligenz und Schwärmerei nicht von vorne aus kämpfen darf.«
Aber Pierre hatte sich erhoben und hörte nicht einmal mehr zu; wie von der Verwirrung seiner Gedanken gejagt, schritt er durchs Zimmer.
»Hören Sie, ich muß alles wissen und verstehen, wenn ich den Kampf fortsetzen will. Sie werden mir die Gefälligkeit erweisen, mich eingehend über jede der Persönlichkeiten aufzuklären, die mit meinem Prozeß in Verbindung stehen. Jesuiten, überall Jesuiten! Mein Gott, ich sehe es ein, Sie haben vielleicht Recht. Aber Sie müssen mir die Abstufungen schildern. Dieser Fornaro zum Beispiel?«
»Monsignore Fornaro? O, er ist alles, was man will. Aber er ist ebenfalls im Collegium Romanum erzogen worden und seien Sie überzeugt, daß er Jesuit ist. Jesuit durch Erziehung, durch seine Stellung, durch seinen Ehrgeiz. Er brennt darnach, Kardinal zu werden, und wenn er eines Tages Kardinal ist, wird er darnach brennen, Papst zu werden. Alle sind sie Kandidaten der Papstwürde, vom Seminar ab.«
»Und Kardinal Sanguinetti?«
»Jesuit, Jesuit! Verstehen wir uns: er ist es gewesen, dann nicht mehr gewesen und ist es sicherlich von Neuem. Sanguinetti hat mit allen Mächten kokettirt. Lange hat man geglaubt, daß er für die Versöhnung des heiligen Stuhles mit Italien ist; dann hat sich die Lage verschlimmert und er nahm heftig Partei gegen die Usurpatoren. Ebenso hat er sich mehrmals mit Leo XIII. überworfen, dann Frieden mit ihm gemacht und lebt jetzt mit dem Vatikan auf diplomatisch zurückhaltendem Fuß. Mit einem Wort, er kennt nur ein Ziel, die Tiara; aber er zeigt es zu sehr, das nützt einen Kandidaten ab. Im Augenblick scheint sich jedoch der Kampf auf ihn und den Kardinal Boccanera zu beschränken. Aus diesem Grunde hat er sich mit den Jesuiten ausgesöhnt, nützt ihren Haß gegen seinen Nebenbuhler aus und rechnet darauf, daß sie, um diesen zu umgehen, ihn unterstützen werden müssen. Ich zweifle daran, denn ich halte sie für viel zu schlau; sie werden zögern, einen schon so bloßgestellten Kandidaten zu begönnern. Er, der leidenschaftliche, hochmütige Wirrkopf zweifelt nicht, und da er, wie Sie sagen, in Frascati ist, bin ich überzeugt, daß er sich gleich nach der Nachricht von der Erkrankung des Papstes zu einem taktischen Zweck beeilt hat, sich dort einzuschließen.«
»Nun, und der Papst selbst, Leo XIII.?«
Don Vigilio zögerte ein Weilchen; seine Lider zuckten leicht.
»Leo XIII.? Jesuit, Jesuit! O, ich weiß, es heißt, daß er zu den Dominikanern hält, und wenn man will, ist das wahr; er glaubt, von ihrem Geiste beseelt zu sein, hat den heiligen Thomas wieder zu Ehren gebracht, auf seiner Doktrin die ganze geistliche Lehre wieder hergestellt. Aber man kann auch Jesuit sein, ohne es zu wollen, ohne es zu wissen; der jetzige Papst wird das berühmteste Beispiel dafür sein. Studiren Sie doch seine Handlungen, geben Sie sich über seine Politik Rechenschaft: Sie werden darin die Ausströmung, die Thätigkeit der Jesuitenseele selbst sehen. Das kommt daher, weil er unbewußt davon durchtränkt ist, weil alle Einflüsse, die direkt oder indirekt auf ihn wirken, von diesem Herde ausgehen. Warum glauben Sie mir nicht? Ich wiederhole, sie haben alles erobert, alles aufgesogen – Rom gehört ihnen, von dem niedersten Schreiber an bis zu Seiner Heiligkeit selbst!«
Er sprach weiter und beantwortete jeden neuen Namen, den Pierre anführte, mit dem störrischen, wahnsinnigen Schrei: »Jesuit, Jesuit!« Es schien, daß man in der Kirche nichts anderes mehr sein könne, daß die Wahrheit dieser
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