Rom - Band II
lange in sich zurückgedrängt hatte.
»Ach, die Jesuiten, die Jesuiten! ... Sie glauben sie zu kennen und haben nicht einmal eine Ahnung von ihren abscheulichen Thaten oder ihrer unberechenbaren Macht. In allem stecken nur sie, überall sie, immer sie. Sagen Sie sich das, sobald Sie zu verstehen aufhören und verstehen wollen. Wenn Ihnen ein Schmerz, ein Unglück zustoßen wird, wenn Sie leiden, wenn Sie weinen werden, denken Sie sofort: ›Das sind sie, sie stecken dahinter.‹ Ich bin nicht sicher, ob nicht einer unter diesem Bett, in diesem Schrank steckt. Ach, die Jesuiten, die Jesuiten! Sie haben mich, mich verzehrt und verzehren mich noch – sie werden sicherlich nichts von meinem Fleisch oder von meinen Knochen übrig lassen!«
Mit seiner abgebrochenen Stimme erzählte er seine Geschichte, seine hoffnungsvolle Jugend. Er war von kleinem Provinzadel, besaß hübsche Renten und einen sehr lebhaften, sehr geschmeidigen, der Zukunft zulächelnden Geist. Heute wäre er sicherlich Prälat und aus dem Wege zu den hohen Aemtern, aber er hatte das alberne Unrecht begangen, schlecht von den Jesuiten zu sprechen und ihnen bei zwei oder drei Gelegenheiten zuwider zu handeln. Von da an hatten sie, wenn man ihm glauben sollte, alles erdenkliche Unglück auf ihn herabregnen lassen: sein Vater und seine Mutter waren gestorben, sein Bankier hatte die Flucht ergriffen, die guten Stellen entschlüpften ihm, sowie er sich anschickte, sie einzunehmen, das ärgste Mißgeschick verfolgte ihn in seinem heiligen Amte, so daß er sich suspendiren lassen mußte. Erst seit dem Tage, da der Kardinal Boccanera, sich seines Unglücks erbarmend, ihn aufgenommen und in seinen persönlichen Dienst genommen halte, genoß er ein wenig Ruhe.
»Hier ist meine Zuflucht, mein Asyl. Sie verwünschen Seine Eminenz, der nie mit ihnen gehalten hat, aber sie haben noch nicht gewagt, ihn oder seine Leute anzugreifen. O, ich gebe mich keiner Täuschung hin, sie werden mich doch noch erwischen. Vielleicht werden sie unser heutiges Gespräch erfahren und es mich sehr teuer bezahlen lassen. Denn es ist unrecht von mir, zu sprechen – ich spreche wider meinen Willen. Sie haben mir alles Glück gestohlen, sie haben mir alles mögliche Unglück zugezogen – alles, alles, hören Sie!«
Ein wachsendes Unbehagen überkam Pierre.
»Ei,« rief er, indem er sich zu einem Scherz zwang, »die Jesuiten haben Ihnen doch nicht das Fieber zugezogen?«
»Gewiß thaten sie es!« bestätigte Don Vigilio heftig. »Ich habe es mir am Tiberufer zugezogen, als ich eines Abends dort vor Kummer weinte, weil man mich von der kleinen Kirche, die ich versah weggejagt hatte.«
Bisher hatte Pierre an die schreckliche Legende von den Jesuiten nicht geglaubt. Er gehörte einer Generation an, die über Werwölfe lächelte und die spießbürgerliche Furcht vor den berühmten schwarzen Männern, die in den Mauern versteckt waren und die Familien erschreckten, ein wenig albern fand. Für ihn waren das durch politische und religiöse Leidenschaften übertriebene Ammenmärchen. Aus diesem Grunde betrachtete er Don Vigilo bestürzt, denn die Furcht ergriff ihn, ob er es nicht mit einem Irren zu thun habe.
Dennoch zog die außerordentliche Geschichte der Jesuiten an ihm vorüber. Wenn der heilige Franz von Assisi und der heilige Dominikus die Seele und der Geist, die Herren und Erzieher des Mittelalters sind, indem der eine den ganzen menschenfreundlichen, feurigen Glauben der Einfältigen ausdrückte und der andere das Dogma verteidigte, die Lehre für die Verständigen und Mächtigen feststellte, so erschien Ignatius von Loyola an der Schwelle der modernen Zeiten, um die düstere, gefährdete Erbschaft zu retten. Er bequemte die Religion den neuen Gesellschaften an, er gab ihr von neuem das Reich der entstehenden Welt. Von da an schien das Experiment gemacht zu sein; Gott sollte in seinem intransigenten Kampf gegen die Sünde besiegt werden; denn es stand fortan fest, daß die ehemalige Absicht, die Natur zu unterdrücken, im Menschen den Menschen mit seinen Gelüsten, seinen Leidenschaften, seinem Herzen und Blut zu töten, nur zu einer verhängnisvollen Niederlage führen konnte. Die Kirche stand im Begriffe, bei dieser Niederlage unterzugehen, und da sind es die Jesuiten, die sie aus dieser Gefahr reißen, die sie dem Erobererleben zurückgaben, indem sie entscheiden, daß sie jetzt der Welt entgegen gehen muß, da die Welt nicht mehr zu ihr gehen zu wollen scheint. Dann liegt
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