Rom - Band II
dieser natürlichen Beredsamkeit war der gute Pater wirklich ein einfacher Seelenwäscher, ein Beichtvater, der zuhört und absolvirt, ohne sich der Unreinheiten, die er mit den Wassern der Buße fortwäscht, mehr zu erinnern. Als Pierre sah, daß er so wahrhaft arm und nichtig sei, bestand er nicht auf einer Fürsprache, die, wie er fühlte, unnütz gewesen wäre.
An diesem Tage verfolgte ihn die Gestalt des naiven Liebhabers der Armut, des entzückenden Franziskus, wie Narcisse Habert ihn nannte, bis zum Abend. Er hatte sich oft über das Erscheinen dieses, Menschen, Tieren und Dingen so holden, von so brennender Liebe zu den Unglücklichen entflammten neuen Jesus in diesem selbstsüchtigen und genußsüchtigen Italien gewundert, wo nur die Freude Über die Schönheit Königin geblieben ist. Zweifellos haben sich die Zeiten geändert. Welcher Liebeskraft hat es in jener Zeit, während der großen Leiden des Mittelalters bedurft, damit ein solcher dem Volksboden entsprossener Tröster der Einfältigen die Hingabe des eigenen Ich an andere, den Verzicht auf Reichtum, das Grauen vor roher Gewalt, die Gleichheit und den Gehorsam zu predigen begann, die den Weltfrieden sichern mußten! Gleich den Aermsten gekleidet, das graue Gewand über den Lenden von einem Strick zusammengefaßt, Sandalen an den nackten Füßen, ohne Geldbeutel noch Stock, wanderte er dahin. Und er wie seine Brüder führten eine stolze, freie Rede, voll erhabener, poetischer Kraft, voll erhabener Kühnheit der Wahrheit. Sie machten sich überall zu Richtern, griffen die Reichen und Mächtigen an und wagten es, die schlechten Priester, die ausschweifenden, Wucher treibenden und meineidigen Bischöfe anzuzeigen. Ein lauter Schrei der Erleichterung empfing sie; das Volk folgte ihnen in Mengen; sie waren die Freunde, die Befreier aller leidenden Geringen. Rom wurde daher auch anfangs durch diese Revolutionäre beunruhigt und die Päpste zögerten zuerst, den Orden zu ermächtigen; als sie endlich nachgaben, geschah es sicherlich in der Idee, diese neue Macht zu ihrem Nutzen, zur Eroberung des untersten Volkes, der ungeheuren, unbestimmten Masse auszunutzen, deren dumpfes Drohen stets durch alle Zeitalter, selbst durch die Epochen größter Willkür grollend tönte. Von da ab besaß das Papsttum an den Söhnen des heiligen Franziskus ein beständig siegreiches Heer, ein wanderndes Heer, das sich überall, ans allen Straßen, in den Dörfern und den Städten verbreitete, bis an den Herd des Arbeiters und Bauers drang und die einfachen Herzen gewann. Wer vermag sich die demokratische Macht eines solchen Ordens vorzustellen, der aus dem Schoße des Volkes selbst hervorgegangen zu sein schien? Daher stammt seine so rasche Wohlfahrt; die Zahl der Brüder vermehrt sich in wenigen Jahren, allerseits werden Klöster gegründet und der Franziskanerorden reißt die Laienbevölkerung derart an sich, daß er sie durchtränkt und aufsaugt. Der Beweis aber, daß darin ein Erzeugnis des Bodens, ein kräftiges Wachstum des plebejischen Stammes lag, war, daß eine ganze nationale Kunst davon entspringen sollte: der Vorläufer der Renaissance und der Malerei, und Dante selbst, die Seele des italienischen Genius.
Seit einigen Tagen sah Pierre jetzt diese großen Orden von Einst vor sich und stieß sich au ihnen in dem gegenwärtigen Rom. Die Franziskaner und Dominikaner, diese von gleichem Glauben beseelten Nebenbuhler, die so lange gemeinsam für die Kirche gekämpft halten, standen einander noch immer, anscheinend gedeihend, in ihren großen Klöstern gegenüber. Aber es schien, daß die Franziskaner auf die Dauer durch ihre Demut beiseite gedrängt worden waren. Vielleicht kam das auch daher, weil ihre Rolle als Freunde und Befreier des Volkes aufgehört hat, seit das Volk sich durch seine politischen und sozialen Eroberungen selbst befreite. Ein Kampf bestand sicherlich einzig nur zwischen den Dominikanern und den Jesuiten, den Predigern und den Erziehern, die beide den Anspruch bewahren, die Welt nach dem Bilde ihres Glaubens zu kneten. Man hörte die verschiedenen Einflüsse dumpf grollen; es war ein Krieg zu jeder Stunde, dessen ewiger Einsatz Rom, die höchste Macht im Vatikan war. Den ersteren nützte es jedoch wenig, daß der heilige Thomas für sie kämpfte; sie fühlten, wie ihre alte dogmatische Wissenschaft zusammenbrach, und mußten den letzteren, die mit dem Jahrhundert siegten, täglich etwas Boden mehr abtreten. Dann gab es die Karthäuser in ihrem
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