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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Erklärung von einem Klerus dargethan wird, der gezwungen war, sich mit der neuen Welt zu vertragen, wenn er seinen Gott retten wollte. Die Heldenzeit des Katholizismus war beendet; er konnte fortan nur noch durch Schlauheit und List, durch Zugeständnisse und Anbequemung leben.
    »Und dieser Paparelli – ein Jesuit, ein Jesuit!« fuhr Don Vigilio fort, indem er instinktiv die Stimme senkte. »O, das ist der schreckliche, bescheidene Jesuit, der Jesuit in seiner abscheulichsten Art, als Späher und Verderber! Ich wollte schwören, daß man ihn hergesetzt hat, um Seine Eminenz zu überwachen, und man muß nur sehen, mit welch genialer Fügsamkeit und Hinterlist er seine Aufgabe erfüllt hat: einzig sein Wille herrscht; er öffnet die Thür nur dem, der ihm paßt, benützt seinen Herrn wie sein Eigentum, übt auf jeden seiner Entschlüsse einen Druck aus, kurz, hat ihn durch ein langsames, stündliches Ansichreißen in seinen Besitz bekommen. Ja, dieser einfache, so geringe Abbé, dieser Schleppträger, dessen Amt es ist, wie ein treuer Hund zu den Füßen seines Kardinals zu sitzen, der aber in Wirklichkeit über ihn herrscht und ihn treibt, wohin er will – das ist die Eroberung des Löwen durch das Insekt, das ist das unendlich Kleine, das über das unendlich Große verfügt. – Ach, der Jesuit, der Jesuit! Hüten Sie sich vor ihm, wenn er mit seinem schlaffen, runzligen Frömmlergesicht wie eine alte Frau im schwarzen Rock geräuschlos in seiner ärmlichen Sutane vorübergeht. Sehen Sie nach, ob er nicht hinter den Thüren, in den Schränken, unter den Betten steckt. Ich sage Ihnen, sie werden Sie so auffressen, wie sie mich aufgefressen haben und sie werden Ihnen auch das Fieber, die Pest auf den Hals jagen, wenn Sie sich nicht in acht nehmen!«
    Pierre blieb plötzlich vor dem Priester stehen. Er verlor den Boden unter den Füßen. Furcht und Zorn ergriffen ihn vollends. Nach all dem mußten diese außerordentlichen Geschichten wahr sein. Warum sollten es sie denn nicht sein?
    »Aber dann geben Sie mir doch einen Rat!« rief er. »Ich habe Sie heute abend doch eigens gebeten, bei mir einzutreten, weil ich nicht mehr weiß, was ich thun soll, weil ich das Bedürfnis fühlte, auf den rechten Weg gewiesen zu werden.«
    Er hielt inne und nahm, wie von seiner überströmenden Leidenschaft getrieben, sein heftiges Auf- und Abgehen wieder auf.
    »Oder nein, sagen Sie mir nichts. Es ist aus, ich reise lieber ab. Dieser Gedanke ist mir schon früher einmal gekommen, aber in einer Stunde der Feigheit; ich wollte verschwinden, heimkehren, um in meinem Winkel in Frieden zu leben. Jetzt aber, wenn ich gehe, geschieht es als Rächer, als Richter, um von Paris aus in die Welt zu rufen, was ich in Rom gesehen, was man dort aus dem Christentum Jesu gemacht hat – daß der Vatikan in Staub zerfällt, daß ein Leichengeruch von ihm ausgeht, daß es eine alberne Täuschung derjenigen ist, die hoffen, eines Tages eine Erneuung der modernen Seele aus dieser Gruft erstehen zu sehen, wo die Fäulnis der Jahrhunderte schlummert ... O, ich werde nicht nachgeben, ich werde mich nicht unterwerfen, sondern mein Buch durch ein neues verteidigen. Und dieses, dafür stehe ich Ihnen gut, wird in der Welt einigen Lärm machen, denn es wird das Totengeläute einer sterbenden Religion sein, die man eilig begraben muß, wenn man nicht will, daß ihre Ueberreste die Völker vergiften.«
    Das ging über Don Vigilio's Verständnis. Der italienische Priester mit seinem beschränkten Glauben, seiner unwissenden Angst vor neuen Ideen, erwachte wieder in ihm. Er faltete entsetzt die Hände.
    »Schweigen Sie, schweigen Sie, das ist ja Gotteslästerung. Und dann können Sie ja gar nicht so fortgehen, ohne noch einmal den Versuch zu machen, Seine Heiligkeit zu sehen. Er allein ist souverän. Ich weiß, daß ich Sie überraschen werde – aber der Pater Dangelis hat Ihnen im Spott noch den einzigen guten Rat gegeben: suchen Sie Monsignore Nani wieder auf, denn er allein wird Ihnen die Thür des Vatikans öffnen.«
    Pierre fuhr abermals zornig auf.
    »Wie, ich soll von Monsignore Nani ausgegangen sein, um zu Monsignore Nani zurückzukehren! Was soll dieses Spiel? Kann ich mich darein fügen, ein Federball zu sein, den alle Schlagnetze einander zuwerfen? Man macht sich über mich lustig!«
    Und Pierre sank erschöpft, außer sich, auf einen Stuhl, der dem Abbé, der sich nicht rührte, gegenüberstand. Don Vigilio sah durch das zu lange Wachen erdfahl aus;

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