Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
Vom Netzwerk:
der verschiedenen Nationen mit ihren häufig spazierengehenden Zöglingen hätten genügt, alle Straßen zu beflaggen; die Franzosen gingen ganz in Schwarz, die Südamerikaner in Schwarz mit blauer Schärpe, die Nordamerikaner in Schwarz mit roter Schärpe, die Polen in Schwarz mit grüner Schärpe, die Griechen in Blau, die Deutschen in Rot, die Römer in Lila, und all die anderen in auf hunderterlei Art gestickten und bordirten Sutanen. Außerdem gab es noch die Brüderschaften, die Bußpriester, die Weißen, die Schwarzen, die Blauen, die Grauen mit verschiedenartig grauen, blauen, schwarzen oder weißen Kutten oder Mänteln. So kam es, daß das päpstliche Rom manchmal wieder aufzuerstehen schien; man fühlte, daß es noch lebendig und zäh war, daß es kämpfte, um in dem gegenwärtigen kosmopolitischen Rom, wo die neutralen Farben und der gleichförmige Schnitt des Kleides sich verwischen, nicht zu verschwinden.
    Aber vergebens lief Pierre von einem Prälaten zum andern, verkehrte er mit Priestern und besuchte er Kirchen – er konnte sich an den Kultus, an diese römische Andacht nicht gewöhnen. Wenn sie ihn nicht verletzte, so setzte sie ihn in Erstaunen. Als er an einem Sonntag, einem regnerischen Morgen, in Santa Maria Maggiore eintrat, glaubte er sich in einen, Wartesaal zu befinden; freilich war er mit seinen Säulen und seiner Decke, die denen eines antiken Tempels glichen, dem prächtigen Baldachin seines päpstlichen Altares, dem blendenden Marmor seiner Konfession und vor allem seiner Borghesischen Kapelle von unerhörter Kostbarkeit, aber dennoch schien Gott nicht darin zu wohnen. Im Mittelschiff befand sich keine Bank, kein Stuhl; es war ein fortwährendes Gehen und Kommen von Gläubigen, die es durchschritten, wie man einen Bahnhof durchschreitet, indem sie mit ihren nassen Schuhen das kostbare Mosaikpflaster befeuchteten; Frauen und Kinder saßen aus Müdigkeit auf den Säulensockeln, so wie man sie in dem Gedränge großer Stationen sieht, wenn sie auf ihren Zug warten. Für diese im Vorübergehen eingetretene, herumtrippelnde, aus niederem Volk bestehende Menge las ein Priester im Hintergrunde einer Seitenkapelle eine stille Messe, und vor dieser Kapelle hatte sich eine schmale, lange Reihe von stehenden Leuten gebildet – eine Theateranstellung, die das Schiff der Quere nach versperrte. Bei der Aufhebung verneigte sich alles mit inbrünstiger Miene, dann zerstreute sich die Ansammlung; die Messe war zu Ende. Ueberall, in S. Paul wie in S. Giovanni de Laterano, in allen alten Basiliken wie in S. Peter selbst, war dieselbe Versammlung zu sehen: die Leute hatten es eilig, ließen sich nicht gerne auf Sitzen nieder und machten Gott, außer bei den großen Galaempfängen, nur kurze, vertrauliche Besuche. Bloß in der Jesuitenkirche geriet er an einem andern Sonntagmorgen in eine große Messe, die ihn an die andächtigen Mengen des Nordens erinnerte: dort sah man Bänke, sitzende Frauen, und eine weltliche Wärme herrschte unter der Ueppigkeit der mit Gold, Skulpturen und Malereien bedeckten Wände, die eine wunderbare, fahle Pracht besitzen, seitdem die Zeit ihren allzu grellen, barocken Stil gemildert hat. Aber wie viel leere Kirchen gab es unter den ältesten und ehrwürdigsten! In S. Clemente, S. Agnese, S. Croce di Gerusalemme sah man während der Stunden des Gottesdienstes nur die paar Nachbarn aus dem Viertel. Vierhundert Kirchenschiffe zu bevölkern war selbst für Rom viel, und so gab es welche, die nur an gewissen, bestimmten festlichen Tagen besucht wurden, während viele ihre Thüren nur einmal jährlich, am Namenstage des Heiligen öffneten. Manchmal lebten sie von dem glücklichen Umstand, daß sie einen Fetisch, einen Götzen besaßen, der den menschlichen Leiden hilfreich war; die Kirche Aracoeli befaß den kleinen, wunderthätigen Jesus, »Il Bambino«, der die kranken Kinder heilte; S. Agostino befaß die »Madonna del Parto«, die Jungfrau, die Schwangere glücklich entband. Andere waren wegen ihres Weihwassers, wegen des Oeles in ihren Lampen, wegen der Macht eines hölzernen Heiligen oder einer marmornen Madonna berühmt. Andere schienen vernachlässigt, den Touristen überlassen, dem kleinen Handel der Kirchendiener ausgeliefert zu sein, Museen zu gleichen, die von toten Göttern bevölkert werden. Wieder andere waren störend, wie die im Pantheon untergebrachte Kirche S. Maria Rotonda; sie ist ein runder, einem Cirkus gleichender Saal, wo die Jungfrau offenbar die Mieterin

Weitere Kostenlose Bücher