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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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weißen Tuchgewande, die heiligen und reinen Schweigsamen, die Beschaulichen, die sich aus der Welt in ihre Klöster mit den stillen Zellen retten, die Verzweifelten und Getrösteten, deren Zahl gering sein mag, die aber ewig leben werden, wie der Schmerz und das Bedürfnis nach Einsamkeit. Da waren die Benediktiner, die Kinder des heiligen Benedikt, dessen bewunderungswürdige Regel die Arbeit geheiligt hat; sie sind die leidenschaftlichen literarischen und wissenschaftlichen Arbeiter, die zu ihrer Epoche lange Zeit mächtige Werkzeuge der Zivilisation waren, indem sie durch ihre ungeheuren geschichtlichen und kritischen Arbeiten zur Weltbildung beitrugen. Diese liebte Pierre und bei ihnen hätte er zwei Jahrhunderte früher Zuflucht gesucht; aber trotzdem wunderte er sich, als er sah, daß sie am Aventin ein riesig großes Haus bauten, für das Leo XIII. bereits Millionen hergegeben hat, als ob die Wissenschaft von heute und morgen noch ein Feld gewesen wäre, auf dem sie einten könnten. Wozu? Waren doch die Arbeiter unverändert, sind doch die Dogmen da, um jedwedem den Weg zu versperren, der achtungsvoll vorüber gehen muß, ohne sie vollends niederzureißen. Da war endlich das Gewimmel der geringeren Orden, deren es hunderte gibt: die Karmeliter, die Trappisten, die Minimen, die Barnabiten, die Lazaristen, die Eudisten, die Missionare, die Rekolleten, die Brüder vom Orden der christlichen Lehre, die Bernhardiner, die Augustiner, die Theatiner, die Observanten, die Cölestiner, die Kapuziner – abgesehen von den entsprechenden weiblichen Orden, den Clarissinnen und sonstigen zahllosen Nonnen, so die Schwestern der Heimsuchung und von Golgatha. Jeder Orden hatte sein bescheidenes oder prächtiges Haus; gewisse Viertel Roms bestanden nur aus Klöstern und hinter den stummen Fassaden summte, bewegte sich und intriguirte dieses ganze Volk in dem fortwährenden Kampf der Interessen und Leidenschaften. Die einstige soziale Entwicklung, die sie erzeugt hatte, wirkte seit langer Zeit nicht mehr; trotzdem hingen sie, immer unnützer und schwächer werdend, zu diesem langsamen Todeskampf ausersehen, am Leben – bis zum Tage, da ihnen an der Brust der neuen Gesellschaft auf einmal Luft und Boden fehlen mußte.
    Aber Pierre stieß bei seinen nun wieder beginnenden Gängen und Laufereien nicht gerade am meisten mit Mönchen zusammen: er hatte es insbesonders mit dem weltlichen Klerus, jenem römischen Klerus zu thun, den er bald kennen lernte. Eine noch kräftige Hierarchie hielt darin die Klassen und Rangordnungen aufrecht. Auf dem Gipfel, ringsum den Papst, herrschte die päpstliche Familie, herrschten die Kardinäle und Prälaten, die sehr stolz, sehr erhaben und bei ihrer scheinbaren Vertraulichkeit von großem Dünkel waren. Unter ihnen bildete der Klerus der Pfarrer gleichsam ein würdiges, vernünftiges und gemäßigtes Bürgertum, in dem nicht einmal die patriotischen Pfarrer selten waren. Die italienische Occupation hatte, indem sie eine ganze Welt von Beamten, Zeugen der Sitten einsetzte, nach einem Vierteljahrhundert das seltsame Ergebnis gehabt, daß sie das häusliche Leben der römischen Priester läuterte; die Frauen spielten darin einst eine so entscheidende Rolle, daß Rom buchstäblich eine Regierung von Dienstmägden war, die als Herrinnen in den Wirtschaften alter Junggesellen thronten. Endlich existirte jene Plebs des Klerus, die Pierre neugierig studirt hatte: ein wahres Gesindel von elenden, schmutzigen, halbnackten, gleich ausgehungerten Tieren auf der Suche nach einer Messe herumstreichenden Priester, die zuletzt in Gesellschaft von Bettlern und Dieben freiwillig in verdächtigen Schenken strandeten. Aber noch mehr interessirte ihn die flutende Menge der aus der ganzen Christenheit herbeigeeilten Priester – die Abenteurer, die Ehrgeizigen, die Gläubigen, die Narren, die Rom anzog, wie eine Lampe des Nachts die Insekten aus dem Dunkel anzieht. Alle Nationalitäten, alle Schicksale, alle Lebensalter waren vertreten; sie galoppirten unter der Peitsche ihrer Gelüste dahin und drängten sich vom Morgen bis zum Abend um den Vatikan, um die Beute anzubeißen, derentwillen sie gekommen waren. Ueberall fand er sie wieder und sagte sich, ein wenig beschämt, daß er einer von ihnen sei, daß er mit seiner Person die unglaubliche Zahl der Sutanen vermehrte, die in den Straßen zu treffen waren. Ach, diese fortwährende Flut und Ebbe von Schwarzröcken, von Kutten aller Farben in diesem Rom! Die Seminare

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