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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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besaß, zu lieben. Die Kongregation der Propaganda, wo der Kardinal Sarno ihn empfangen hatte, kannte er bereits, und auf seinen Besuchen, auf dieser Jagd nach einflußreichen Beschützern, während er von einem zum andern geschickt wurde, lernte er auch die anderen Kongregationen, die Kongregation der Bischöfe und Ordensgeistlichen, die Riten- und die Konzilskongregation kennen. Er sah sogar flüchtig die Konsistorialkongregation, die Dataria, das heilige Bußgericht. Es war der ungeheure Mechanismus der kirchlichen Verwaltung. Die ganze Welt mußte beherrscht, die Eroberungen mußten erweitert, die Angelegenheiten der eroberten Länder verwaltet, die Glaubens-, Sitten- und Personenfragen beurteilt, Verbrechen untersucht und gestraft, Dispense bewilligt, Gunstbezeigungen verkauft werden. Man kann sich die furchtbare Zahl der Angelegenheiten, die jeden Morgen im Vatikan einlaufen, nicht vorstellen. Es sind die ernstesten, heikelsten, verwickeltsten Fragen, deren Lösung Grund zu zahllosen Nachforschungen und Studien gab. Der große Haufe der aus allen Teilen der Christenheit gekommenen und Rom verstopfenden Besucher, alle diese Briefe, diese Bittschriften, diese Akten, deren Flut sich in allen Bureaux verbreitete und anhäufte, mußten ja Antwort bekommen. Das Wunder war die große, verschwiegene Stille, in der die gewaltige Arbeit gethan wurde; kein Geräusch drang auf die Straße; aus den Tribunalen, den Parlamenten, den Fabriken, wo man heilige und Adlige machte, tönte nicht einmal das leise Zittern der Arbeit, und der Mechanismus war so gut geölt, daß er trotz des Rostes der Jahrhunderte, trotz der tiefen, unheilbaren Abnutzung arbeitete, ohne daß man ihn hinter den Mauern merkte. Lag hierin nicht die ganze Politik der Kirche? Schweigen, so wenig als möglich schreiben, abwarten. Aber wie wunderbar war dieser überlebte und doch noch so mächtige Mechanismus! Und wie war Pierre sich bewußt, daß er inmitten dieser Kongregationen von dem eisernen Netz der unumschränktesten Macht ergriffen wurde, die man je zur Beherrschung der Menschen organisirt hatte! Vergebens stellte er Sprünge, Löcher, ein hohes, den Zerfall ankündigendes Alter fest – er gehörte ihr dennoch, seit er sich in sie gewagt hatte; er wurde gepackt, zerstampft, durch dieses unentwirrbare Netz, dieses endlose Labyrinth von Einflüssen und Ränken gerissen, wo sich Eitelkeit und Bestechlichkeit, Korruption und Ehrgeiz, so viel Elend und so viel Größe regen. Wie fern war er von dem Rom, von dem er geträumt hatte! Und welcher Zorn schüttelte ihn manchmal in seiner Erschöpfung, in seinem Verlangen, sich zu verteidigen!
    Mit einemmal erklärten sich Dinge, die Pierre nie begriffen hatte. Eines Tages, als er wieder in dem Palast der Propaganda erschien, sprach Kardinal Sarno mit ihm über die Freimaurerei in einem so kalt-wütenden Ton, daß er plötzlich klar sah. Bisher hatte ihm die Freimaurerei ein Lächeln erweckt; er glaubte ebensowenig an sie wie an die Jesuiten, fand die umlaufenden, lächerlichen Geschichten kindisch und verwies die geheimnisvollen, dunklen Männer, deren geheime, unberechenbare Macht die Welt regieren sollte, in die Legende. Vor allem wunderte er sich über den blinden Haß, der gewisse Leute bethörte, sobald das Wort »Freimaurer« über ihre Lippen kam; ein Prälat, und zwar einer der vornehmsten, der verständigsten hatte ihm mit der Miene tiefer Ueberzeugung versichert, daß bei jeder Freimaurerloge der Teufel in eigener, sichtbarer Gestalt wenigstens einmal im Jahre den Vorsitz führe. Da mußte der einfache Menschenverstand irre werden. Er begriff nun die Nebenbuhlerschaft, den wütenden Kampf der römisch-katholischen Kirche gegen die andere Kirche, die Kirche von gegenüber. Vergebens hielt die erstere sich für die Siegerin – sie fühlte trotzdem in der andern eine Mitbewerberin, eine sehr alte Feindin, die sogar älter zu sein behauptete und deren Sieg immer eine Möglichkeit blieb. Der Zusammenstoß rührte hauptsächlich daher, weil beide Sekten dasselbe ehrgeizige Streben nach der Weltherrschaft, dieselbe internationale Organisation, dasselbe Mittel von dem über die Völker geworfenen Netz, Mysterien, Dogmen, Riten besaßen. Gott gegen Gott, Glaube gegen Glaube, Eroberung gegen Eroberung. Daher beengten sie einander, geradeso wie zwei nebenbuhlerische, zu beiden Seiten einer Straße errichtete Häuser und eine mußte zuletzt die andere töten. Aber wenn ihm der Katholizismus auch gebrechlich,

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