Rom - Band III
verweigert hatte! Dieses sein Weib hatte er nicht besessen und würde er nie besitzen. Um Benedetta zu besitzen würde er einst Rom angezündet haben; jetzt fragte er sich, was er wohl thun werde, um zu verhindern, daß sie eines andern ward. Ja, der Gedanke an diesen andern, der sein Gut genoß – das war der Gedanke, der die blutende Wunde in seiner Brust wieder öffnete. Wie mußten sie sich zusammen über ihn lustig machen! Welche Freude hatte es ihnen bereitet, ihn durch das Verbreiten der Lüge von seinem angeblichen Unvermögen lächerlich zu machen! Er fühlte sich davon, trotz aller Beweise, die er für seine Männlichkeit erbringen konnte, getroffen. Obwohl er selbst nicht recht daran glaubte, hatte er sie beschuldigt, schon lange Liebhaber und Maitresse zu sein, die nachts zusammenkamen und in diesem düstern Palaste Boccanera, dessen Liebesgeschichten legendenhaft waren, nur ein Schlafgemach besaßen. Jetzt, da sie frei, wenigstens des kirchlichen Bandes entledigt waren, würde das sicherlich geschehen. Er sah sie neben einander auf demselben Lager, er beschwor brennende Visionen, Umarmungen, Küsse, die Verzückung ihrer Raserei herauf. Ah, nein, nein, das war unmöglich! Eher brach die Erde zusammen!
Dann, als er mit Pierre den Corso Viktor Emanuel verließ, um die zur Via Giulia führenden alten, eingezwängten und gewundenen Straßen zu betreten, sah er sich wieder, wie er das Billet in den Briefkasten des Palastes warf. Hierauf sagte er sich im Geiste, was nun geschehen würde. Das Billet würde bis zum Morgen im Kasten ruhen. Don Vigilio, der Sekretär, der auf förmlichen Befehl des Kardinals den Schlüssel zu diesem Kasten aufbewahrte, würde frühzeitig hinabgehen, den Brief finden und ihn Seiner Eminenz übergeben, der nicht erlaubte, daß man irgend welche Briefe öffnete. Die Feigen würden weggeworfen werden, ein Verbrechen nicht mehr möglich sein, die schwarze Gesellschaft schweigen. Aber wenn sich das Billet doch nicht in dem Kasten fand – was dann? Er ließ nun diese Annahme zu und sah deutlich, wie die so zierlich mit Blättern bedeckten Feigen in ihrem hübschen Körbchen auf der um ein Uhr stattfindenden Mittagstafel erschienen. Dario war wie gewöhnlich da, allein mit seinem Oheim, weil er erst abends nach Neapel abreiste. Würden sowohl Oheim wie Neffe von den Feigen essen, oder nur der eine – und welcher von den beiden? Hier verschwamm die Vision. Es war von neuem der Lauf des Schicksals, dieses Schicksals, dem er auf der Straße von Frascati begegnet war, als es unaufhaltsam, durch alle Hindernisse hindurch, seinem unbekannten Ziele zuschritt. Der kleine Korb Feigen ging weiter und weiter, seiner notwendigen Aufgabe entgegen; keine Hand in der Welt war stark genug, sie zu verhindern.
Die Via Giulia streckte sich endlos im weißen Mondlicht hin und Pierre erwachte vor dem schwarz von dem silbernen Himmel abstechenden Palaste Boccanera wie aus einem Traum. Von einer Kirche in der Nachbarschaft schlug es drei Uhr morgens. Er fühlte einen leisen Schauer, als er neben sich diese schmerzhafte Klage eines auf den Tod verwundeten Wildes, dieses unwillkürliche Murren hörte, das der Graf sich in seinem furchtbaren Kampfe abermals entschlüpfen ließ.
Aber gleich darauf brach er in ein spöttisches Lachen aus und sagte, indem er dem Priester die Hand drückte:
»Nein, nein, ich gehe nicht weiter ... Wenn man mich zu dieser Stunde hier sähe, würde man glauben, daß ich mich wieder in meine Frau verliebt habe.«
Er zündete eine Cigarre an und ging in die helle Nacht hinein, ohne sich umzudrehen.
XIII.
Als Pierre erwachte, war er ganz überrascht, da er elf Uhr schlagen hörte. Nach der Ermüdung des Balles, auf dem er bis zu so später Stunde geblieben war, hatte er wie ein Kind in einem köstlichen Frieden geschlafen, als hätte er im Schlummer sein Glück gefühlt. Kaum hatte er die Augen geöffnet, so badete ihn die zum Fenster hereinscheinende, strahlende Sonne in Hoffnung. Sein erster Gedanke war, daß er heute abend um neun Uhr endlich den Papst sehen würde. Noch zehn Stunden. – Was sollte er während dieses gesegneten Tages, dessen herrlicher, reiner Himmel ihm als ein so glückliches Omen erschien, anfangen?
Er erhob sich, öffnete das Fenster und ließ die warme Luft hereinströmen. Sie schien ihm jenen Frucht- und Blumengeruch zu haben, den er gleich am Tage seiner Ankunft bemerkt, dessen Natur er später vergeblich zu analysiren versucht hatte: ein Geruch von
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