Rom - Band III
brutalen Stimme hinzufügte:
»Ich habe Ihre guten Freunde alle vier zusammen eben fortfahren sehen ... Es ist klug von Ihnen, daß Sie gern zu Fuß nach Hause gehen, denn für Sie war kein Platz in der Karosse ... Diese Donna Serafina! Welche Unverschämtheit, sich in ihrem Alter mit ihrem Morano herzuschleppen, um über die Rückkehr des Ungetreuen zu triumphiren! ... Und die beiden anderen, die beiden Jungen! O, ich gestehe, es wird mir schwer, ruhig von ihnen zu sprechen, denn sie haben heute, indem sie sich so zeigten, eine Abscheulichkeit von seltener Frechheit und Grausamkeit begangen!«
Seine Hände zitterten.
»Glückliche Reise, glückliche Reise, junger Mann, da Sie nach Neapel fahren!« murmelte er dann. »Ja, ich habe gehört, wie man zu Celia sagte, daß er heute abend um sechs Uhr nach Neapel abreist. Nun, meine guten Wünsche begleiten ihn. Glückliche Reise!«
Draußen, beim Hinaustreten aus der erstickenden Hitze der Säle in die wunderbare, klare und kalte Nacht ergriff die beiden Männer eine köstliche Empfindung. Es war eine prächtige Vollmondnacht, eine jener römischen Nächte, da die Stadt in einer elysischen Helle, wie von einem Traume der Unendlichkeit gewiegt, unter dem ungeheuren Himmel schlummert. Sie gingen den Corso hinab und dann längs des Corso Viktor Emanuel.
Prada hatte sich etwas beruhigt, blieb aber noch immer ironisch; zweifellos um sich zu betäuben, sprach er mit fieberhafter Redseligkeit wieder über die römischen Frauen, über dieses Fest, das er herrlich gefunden hatte und nun bespöttelte.
»Ja, sie haben schöne Kleider, aber sie stehen ihnen nicht – Kleider, die sie von Paris kommen lassen, jedoch natürlich nicht probiren konnten. Es ist gerade so wie mit ihren Juwelen; sie haben noch Diamanten und vor allem äußerst schöne Perlen, aber sie sind so schwer gefaßt, daß sie im großen und ganzen schrecklich aussehen. Und wenn Sie wüßten, was für eine Unwissenheit, was für eine Frivolität sich unter ihrem scheinbaren Stolz verbirgt! Alles bei ihnen ist oberflächlich, selbst die Religion: darunter ist nichts als eine unergründliche Leere. Ich sah zu, wie sie beim Buffet mit aller Kraft aßen. Ah, das ist wahr, einen kräftigen Appetit haben sie! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die Gäste sich heute abend ziemlich gut benahmen; man hat nicht zu viel verschlungen. Aber wenn Sie einem Hofball beiwohnen würden, sähen Sie eine ganz unsagbare Plünderung: das Buffet wird belagert, die Schüsseln werden verschlungen, alles drängt sich mit außerordentlicher Gefräßigkeit herzu!«
Pierre antwortete bloß einsilbig. Er gab sich ganz seiner überströmenden Freude über diese Audienz beim Papst hin, träumte schon von ihr und bereitete sie in ihren geringsten Einzelheiten vor, ohne sich jemand anvertrauen zu können. Und die Schritte der beiden Männer erklangen in der breiten, einsamen und hellen Straße auf dem trockenen Pflaster, während der Mond die schwarzen Schatten deutlich abzeichnete.
Plötzlich verstummte Prada. Er war mit seiner geschwätzigen Bravour zu Ende; der schreckliche Kampf, der in ihm tobte, hatte ihn ganz überkommen und gleichsam gelähmt. Bereits zweimal hatte er in seiner Rocktasche das mit Bleistift geschriebene Billet berührt, dessen paar Zeilen er sich in Gedanken wiederholte: »Eine Legende behauptet, daß der Feigenbaum des Judas, tödlich für jeden, der eines Tages Papst werden will, in Frascati wieder wächst. Essen Sie nicht die vergifteten Feigen, geben Sie sie weder Ihren Leuten noch Ihren Hennen.« Das Billet war da, er fühlte es; und er hatte Pierre nur begleiten wollen, um es in den Briefkasten des Palastes Boccanera zu werfen. Er schritt lebhaft weiter: noch vor Ablauf von zehn Minuten würde das Billet im Kasten sein – keine Macht der Welt konnte ihn hindern, es hineinzuwerfen, da sein Entschluß förmlich gefaßt war. Nie würde er das Verbrechen begehen, Leute vergiften zu lassen.
Aber er litt eine so greuliche Marter! Diese Benedetta und dieser Dario hatten in ihm einen solchen Sturm eifersüchtigen Hasses erregt! Er vergaß darüber Lisbeth, die er liebte, vergaß das Kind, dieses kleine Wesen aus seinem eigenen Fleisch und Blut, auf das er so stolz war. Stets hatte das Weib das männliche Eroberungsverlangen in ihm entfesselt; nur jene, die ihm widerstanden, hatten ihm heftigen Genuß bereitet. Und nun existirte eines in der Welt, das er begehrt, das er durch eine Heirat erkauft, das sich dann
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