Rom - Band III
Orangen und Rosen. War es möglich, daß man sich im Dezember befand? Welch herrliches Land, da selbst an der Schwelle des Winters der April hier neu zu blühen schien! Dann, nachdem er sich angekleidet hatte und die Ellenbogen aufs Fenster stützte, um jenseits des goldfarbigen Tiber die zu allen Jahreszeiten grünen Abhänge des Janiculus zu betrachten, bemerkte er in dem kleinen, vernachlässigten Garten des Palastes, neben dem Springbrunnen, Benedetta. Und einem Bedürfnis nach Leben, Heiterkeit und Schönheit nachgebend, stieg er hinab, denn er konnte nicht auf derselben Stelle bleiben.
Benedetta, strahlend, leuchtend, stieß sofort den Schrei aus, den er erwartete. Sie hielt ihm beide Hände entgegen.
»Ach, mein lieber Herr Abbé, wie glücklich bin ich, wie glücklich bin ich!«
Sie hatten oft die Vormittage in diesem ruhigen und vergessenen Winkel mit einander verbracht. Aber was für traurige Vormittage waren das gewesen, als sie beide so hoffnungslos waren! Heute schien es ihnen, als besäßen die vernachlässigten, von Unkraut überwachsenen Alleen, die in dem alten, zugeschütteten Wasserbecken aufgeschossene Tobira, die symmetrischen Orangenbäume, die allein die ehemalige Zeichnung der Einfassungen andeuteten, einen unendlichen Reiz, eine träumerische und zärtliche Vertraulichkeit, in der es sich sehr gut von der Freude ausruhen ließ. Und vor allem war es neben dem großen Lorbeerbaum, in dem Winkel, wo sich die Fontäne befand, so warm! Der dünne Wasserfaden floß mit seinem Flötengesang endlos aus dem ungeheuren, offenen Munde der tragischen Maske. Eine frische Kühle stieg aus dem großen Marmorsarkophag auf, dessen Basrelief ein rasendes Bacchanal, Faune zeigte, die Frauen entführten und unter gierigen Küssen niederwarfen. Man befand sich hier außerhalb der Zeit und des Ortes, in einer abgelaufenen, so fernen Vergangenheit, daß die Umgebungen, die neuen Quaibauten, das aufgerissene, von dem Staube der Trümmer noch graue Viertel, selbst das durch einander geworfene, mit einer neuen Welt schwangere Rom verschwanden.
»Ach, wie glücklich bin ich!« wiederholte Benedetta. »Ich erstickte in meinem Zimmer und mußte hinab, so sehr bedurfte mein Herz Raum, Luft und Licht, um nach Herzenslust zu klopfen!«
Sie saß neben dem Sarkophag auf dem umgestürzten, als Bank dienenden Säulenfragment und wünschte, daß der Priester sich neben sie niedersetzte. Noch nie war sie ihm so schön vorgekommen wie jetzt, mit ihrem schwarzen Haar, das das reine, in der Sonne ganz rosige und blumenzarte Gesicht umrahmte. Ihre ungeheuren, grundlosen Augen waren im Licht eine Kohlenglut, in der Gold schmolz, während ihr Kindermund, ihr reiner, klug verständiger Mund lachte – wie ein gutmütiges Wesen lacht, das nun frei nach seinem Herzen lieben darf, ohne Gott oder die Menschen zu beleidigen. Und sie träumte ganz laut, entwarf ihre Zukunftspläne.
»Ach, jetzt ist es ganz einfach! Nachdem ich bereits die Scheidung von Tisch und Bett durchgesetzt habe, werde ich, sobald die Kirche einmal meine Ehe annullirt hat, leicht die Zivilscheidung erlangen. Und ich werde Dario heiraten – ja, gegen den nächsten Frühling zu, vielleicht schon früher, wenn es gelingt, die Förmlichkeiten zu beschleunigen ... Heute abend um sechs Uhr reist er nach Neapel. Er hat dort eine Geschäftsangelegenheit zu ordnen. Wir hatten dort noch einen Besitz, der verkauft werden mußte, denn das alles hat sehr viel gekostet. Aber was liegt jetzt daran, da wir nun einander gehören! ... Was für schöne Stunden werden wir in einigen Tagen, sobald er wieder zurück ist, verleben – wie werden wir lachen, wie werden wir die Zeit fröhlich zubringen! Ich habe nach dem schönen Ball gar nicht geschlafen, so viele Pläne habe ich gemacht. Ach, prächtige Pläne! Sie werden sehen, Sie werden sehen, denn jetzt müssen Sie bis zu unserer Hochzeit in Rom bleiben.«
Er begann mitzulachen; dieser Ausbruch von Jugend und Glück bezauberte ihn so, daß er eine heftige Anstrengung machen mußte, um nicht auch von seinem Glück, von der Hoffnung zu erzählen, mit der die nahe Unterredung mit dem Papst ihn erfüllte. Aber er hatte geschworen, zu niemand davon zu sprechen.
In der schauernden Stille des schmalen, sonnigen Gartens ertönte in Zwischenräumen immer wieder der beharrliche Schrei eines Vogels. Benedetta hob scherzend den Kopf und blickte einen Käfig an, der an einem Fenster des ersten Stockwerks hing.
»Ja, ja, Tata, schrei nur
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