Rom - Band III
den tödlich traurigen Hof gehenden Speisesaal im zweiten Stock. Zur selben Stunde dinirte auch der Kardinal im ersten Stock, in dem sonnigen Saal, dessen Fenster auf den Tiber gingen. Er war sehr froh, daß er seinen Neffen, Dario, zum Tischgenossen hatte, denn sein Sekretär, Don Vigilio, sein anderer, gewöhnlicher Tischgenosse, machte nur den Mund auf, wenn man ihn fragte. Die beiden Haushaltungen waren vollständig verschieden; sie hatten weder dieselbe Küche noch dasselbe Personal, und es gab unten nichts Gemeinsames als ein großes Gemach, das als Anrichtestube diente.
Aber wie düster und von dem grünlichen Halbdunkel des Hofes getrübt der Speisesaal im zweiten Stock auch sein mochte, das Frühstück der beiden Damen und des jungen Priesters war doch sehr fröhlich. Selbst die gewöhnlich so steife Donna Serafina schien durch ein großes, innerliches Glück milder gestimmt zu sein. Zweifellos waren die Wonnen ihres gestrigen Triumphes auf dem Ball, am Arme Moranos, noch nicht erschöpft. Sie war die erste, die voll Lobes über die Soirée sprach, obwohl die Anwesenheit des Königs und der Königin sie sehr genirt habe, wie sie sagte. Sie erzählte, wie sie durch eine geschickte Taktik vermieden habe, sich vorstellen zu lassen. Uebrigens hoffte sie, daß ihre bekannte Liebe zu Celia, deren Patin sie war, ihre Anwesenheit in diesem neutralen Salon, wo alle Mächte einander begegnet waren, genügend erklären würde. Trotzdem mußte sie noch Gewissensbisse haben, denn sie kündigte an, daß sie sich gleich nach dem Frühstück in den Vatikan, zum Kardinalsekretär begeben wolle; sie wünschte mit ihm über ein Werk zu sprechen, dessen Patronnesse sie war. Dieser Entschädigungsbesuch am Tage nach der Buongiovannischen Soirée mußte ihr wohl unerläßlich erscheinen. Nie hatte sie anläßlich der nahen Erhebung ihres Bruders, des Kardinals auf den Thron St. Peters mehr vor Eifer aber auch mehr vor Hoffnung gebrannt: das war für sie der höchste Triumph, die Erhebung ihrer Rasse die ihr Familienstolz für notwendig und unvermeidlich hielt. Während des letzten Unwohlseins des regierenden Papstes hatte sie die Dinge sogar so weit getrieben, daß sie sich um die Wäscheausstattung sorgte, die sie mit den Wappen des neuen Pontifex zeichnen lassen wollte.
Benedetta hörte nicht auf zu scherzen, lachte über alles und sprach von Celia und Attilio mit der leidenschaftlichen Zärtlichkeit einer Frau, deren Liebesglück an dem Glück eines befreundeten Paares Wohlgefallen findet. Dann, als eben der Nachtisch aufgetragen wurde, wandte sie sich mit überraschter Miene zu dem Bedienten: »Nun, Giacomo, und die Feigen?«
Dieser, mit seinen langsamen, wie verschlafenen Bewegungen sah sie verständnislos an. Glücklicherweise ging Victorine durchs Zimmer.
»Und die Feigen, Victorine? Warum servirt man sie uns nicht?«
»Was für Feigen denn, Contessina?«
»Die Feigen, die ich heute früh in der Anrichtestube sah. Ich ging aus Neugierde durch, als ich in den Garten hinabstieg ... Es waren prächtige Feigen, in einem kleinen Korbe. Ich habe mich sogar gewundert, daß es um diese Jahreszeit noch welche hier gibt ... Ich esse sie sehr gern und habe schon im voraus bei dem Gedanken geschwelgt, daß ich sie beim Diner essen würde.«
Victorine begann zu lachen.
»Ach, ich weiß, ich weiß, Contessina ... Das sind die Feigen, die der Priester aus Frascati – Sie erinnern sich, der Pfarrer von da unten – gestern abend persönlich für Seine Eminenz abgegeben hat. Ich war dabei. Er hat dreimal wiederholt, daß es ein Geschenk sei und daß man es auf die Tafel Seiner Eminenz stellen müsse, ohne ein Blatt daran in Unordnung zu bringen ... So hat man also gethan, wie er gesagt hatte.«
»Nun, das ist nett!« rief Benedetta in komischem Zorn. »Und diese Feinschmecker schmausen ohne uns! Mir scheint, man hätte doch teilen können!«
Hier mischte sich Donna Serafina ein, indem sie Victorine fragte:
»Sie sprechen von dem Pfarrer, der früher zu uns in die Villa kam, nicht wahr?«
»Ja, ja, der Pfarrer Santobono, der da unten die kleine Kirche S. Maria dei Campi versieht ... Wenn er kommt, so fragt er immer nach dem Abbé Paparelli; ich glaube, er war sein Kamerad im Seminar. Auch gestern abend mußte ihn der Abbé Paparelli mit seinem Korbe zu uns in die Anrichtestube führen ... O, dieser Korb! Stellen Sie sich vor, trotzdem er es uns so eingeschärft hatte, hat man vorhin vergessen, ihn auf die Tafel Seiner Eminenz
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