Rom - Band III
über alle Wesen und Dinge hätte ergießen mögen, mit so tiefer und natürlicher Bewegung aus, daß die beiden Frauen dadurch nicht verletzt wurden. Donna Serafina blieb unbeweglich, als stelle sie sich, es gar nicht gehört zu haben, während Benedetta mit einer Geberde auszudrücken schien, daß sie für einen Mann, der ihr vollständig fremd geworden sei, weder Mitleid noch Haß zu zeigen habe. Dennoch lachte sie nicht mehr und sagte zuletzt, an den kleinen Korb denkend, der im Wagen Pradas mitgefahren war:
»Ach, hören Sie, ich habe gar keine Lust mehr auf diese Feigen; es ist mir jetzt lieber, daß ich nichts davon gegessen habe.«
Gleich nach dem Kaffee verließ sie Donna Serafina, indem sie sagte, daß sie einen Hut aussetzen und in den Vatikan gehen werde. Als Benedetta und Pierre allein waren, blieben sie, wieder heiter geworden, noch eine Weile am Tische sitzen und plauderten wie gute Freunde. Der Priester sprach wieder von seiner abendlichen Audienz, seinem Fieber glücklicher Ungeduld. Es war kaum zwei Uhr – also noch sieben Stunden. Was sollte er machen, wozu diesen endlosen Nachmittag verwenden? Da hatte sie einen sehr artigen Einfall.
»Sie wissen es nicht? Nun wohl, da wir alle so zufrieden sind, dürfen wir uns nicht verlassen ... Dario hat seinen Wagen. Er muß, so wie wir, mit dem Frühstück fertig sein. Ich werde ihm sagen lassen, daß er uns abholen und mit uns eine große Spazierfahrt längs des Tiber, sehr weit hinaus, machen soll.«
Sie klatschte, über diesen schönen Plan entzückt, in die Hände. Aber gerade in diesem Augenblick erschien Don Vigilio mit bestürzter Miene.
»Ist die Prinzessin nicht da?«
»Nein, Tante ist ausgegangen ... Was gibt es denn?«
»Seine Eminenz schickt mich. Dem Fürsten ward eben, als er vom Tisch aufstand, unwohl ... O, es ist nichts, gewiß nichts Ernstes.«
Sie stieß, mehr vor Ueberraschung als vor Unruhe, einen Schrei aus.
»Wie, Dario! ... Aber dann gehen wir alle hinunter. Kommen Sie doch, Herr Abbé. Er darf nicht krank sein, wenn er mit uns spazieren fahren soll.«
Als sie dann auf der Treppe Victorine begegnete, hieß sie sie ebenfalls mitgehen.
»Dario ist unwohl geworden, man könnte Dich brauchen.«
All vier traten in das große, altmodische, einfach eingerichtete Zimmer, wo der junge Fürst, von seiner Schulterwunde hier festgenagelt, bereits einen langen Monat zugebracht hatte.
Man gelangte dahin durch einen kleinen Salon, und ein von dem daneben liegenden Ankleidezimmer ausgehender Gang verband dieses Zimmer mit den inneren Wohnräumen des Kardinals, dem verhältnismäßig schmalen Speisesaal, Schlaf- und Arbeitszimmer, die man mit Hilfe von Scheidewänden aus einem der ungeheuren Säle von einst gebildet hatte. Dann kam noch die Kapelle, deren Thür auf den Gang ging; es war ein einfaches, kahles Zimmer, in dem sich ein Altar aus gemaltem Holz, aber kein Teppich, kein Stuhl befand – nichts als die harte, kalte Diele, um hin zu knieen und zu beten.
Benedetta lief auf das Bett zu, auf dem Dario, ganz angekleidet, lang ausgestreckt lag. Neben ihm stand in väterlicher Sorge der Kardinal Boccanera; er bewahrte trotz seiner beginnenden Unruhe seine hohe, stolze Haltung, die Ruhe einer erhabenen und vorwurfsfreien Seele.
»Was gibt es denn? Mein Dario, was ist Dir geschehen?«
Aber der Fürst lächelte, da er sie beruhigen wollte. Er war vorläufig nur sehr blaß und sah wie trunken aus.
»O, es ist nichts, eine Betäubung ... Stelle Dir vor, es ist mir, als hätte ich getrunken. Mit einemmale ward mir schwindelig und es schien mir, als würde ich fallen. Ich hatte nur noch Zeit, her zu gehen und mich auf mein Bett zu werfen.«
Er atmete tief auf, wie einer, der wieder zu Atem kommen muß. Nun ging der Kardinal ebenfalls in einige Einzelheiten ein.
»Wir beendeten ruhig das Frühstück, ich gab Don Vigilio die Befehle für den Nachmittag und war im Begriffe, die Tafel zu verlassen, als ich sah, wie Dario aufstand und schwankte. Er wollte sich nicht wieder niedersetzen, sondern ging mit wankenden Schritten, wie ein Nachtwandler hierher, indem er tastend die Thüren öffnete. Wir gingen ihm nach, ohne etwas zu begreifen. Ich gestehe, ich suche noch immer, ich verstehe es noch immer nicht.«
Mit einer Geberde drückte er seine Ueberraschung aus und wies auf das Zimmer, durch das ein plötzlicher Unglückswind geweht zu haben schien. Alle Thüren waren weit offen geblieben; man sah in einer Reihe das Ankleidezimmer, dann den
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